Verhaltensweisen

Gründe für die Ablehnung einer Einbeziehung in das Zielvereinbarungs-Verfahren

In vielen betieblichen Regelungen zu Zielvereinbarungen findet eine Vermischung der Bewertung der Zielerreichung mit der Beurteilung von Verhaltensweisen statt. Während die Zielerreichung sich - zumindest im Idealfall - an halbwegs objektiv messbaren Kriterien orientiert, stellt die Bewertung des Arbeitnehmer-Verhaltens ein subjektives Urteil dar, das stark von den jeweils betroffenen Personen abhängt. Beide Dinge gehören - so unsere Auffassung - scharf getrennt.


Beispiele für Verhaltensweisen

  • ergreift Initiative
  • schafft Orientierung
  • erzielt Ergebnisse
  • fördert Teamarbeit
  • lebt Kooperation vor

Die Beurteilung von Verhaltensweisen stellt ein subjektives Werturteil durch die beurteilende Person dar. Das Ergebnis hängt in hohem Maße von der Sichtweise der beurteilenden Person ab und lässt sich kaum durch objektive Kriterien beschreiben.

Der Arbeitgeberseite mag es zustehen, die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden zu beurteilen, deren Verhalten aber nur, insoweit es mit der konkreten Arbeit in einem direkten Zusammenhang steht.

Daten über die Erfüllung oder Nichterfüllung der Verhaltensweisen zu sammeln, geht weit über die Verwaltung des Arbeitsverhältnisses hinaus und kann von der Arbeitgeberseite nicht erzwungen werden. Die im Mai 2018 in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung betont diesen Zusammenhang nochmals ausdrücklich (Minimierungsprinzip in Artikel 23 DS-GVO).

Wenn es einem Betriebsrat nicht gelingt, die Beurteilung des Verhaltens der Mitarbeitenden zu verhindern, so ist die Beachtung der beiden folgenden Grundsätze von besonderer Wichtigkeit:

Trennung von Leistungs- und Verhaltensbewertung

Die Software-Anbieter für Personalsysteme (SAP/SuccessFactors, Oracle, Workday) haben alle mehr oder weniger gleiche Verfahren im Angebot, die unter dem Titel Performance Management vermarktet werden. Die Verfahren sehen eine Software-Unterstützung für die Definition von Zielen und die Bewertung der Zielerreichung, die Beurteilung von Verhaltensweisen, die Einschätzung des Entwicklungspotenzials und die Festlegung von Maßnahmen zur Karriereförderung vor. Alles umfangreich durch Workflows unterstützt, deren Einhaltung sich durch Reports gut überwachen lässt.

Man darf die prägende Wirkung einer vorhandenen Software nicht unterschätzen. Wenn ein System einmal einen Ablauf vorgibt, fällt es schwer, davon abzuweichen. Dieser Trend findet eine enorme Unterstützung durch das Cloud Computing, denn hier ist Standardisierung gefragt. Abweichungen vom Standard - so die oft vorgebrachte Argumentation - sind zu teuer. Außerdem hat man bereits nach kurzer Zeit nicht mehr das qualifizierte Personal, das solche Abweichungen betreuen könnte.

Betriebsräte sollten darauf achten, dass Leistungs- und Verhaltensbewertung strikt getrennt sind und nach Möglichkeit unterschiedlich gehandhabt werden. Andernfalls droht hinter den Kulissen die Zusammenziehung zu einer Gesamtnote.

Konkreter Arbeitsbezug

Es ist völlig in Ordnung, wenn ein Unternehmen sich ein Leitbild gibt und darin auch Verhaltensweisen beschreibt, die es von seinen Mitarbeitenden erwartet. Dass diese auch in Mitarbeitergesprächen Thema sein dürfen, will wohl niemand ausschließen.

Aber ist es erforderlich, diese Verhaltenweisen auch zu bewerten - und dann vorzugsweise noch im Schulnoten-Stil?

Wenn die Beurteilung von Verhaltensweisen nicht ausgeschlossen werden kann, dann empfiehlt sich ein Verfahren, das der Führungskraft auferlegt, aus dem Spektrum der vom Unternehmen gewünschten Verhaltensweisen nur diejenigen auszuwählen, für die sich ein Bezug zur Arbeit der zu beurteilenden Person herstellen lässt.  Zusätzlich sollte die Führungskraft der zu beurteilenden Person auch die Kriterien benennen und erläutern, nach denen sie dann später eine Bewertung vornehmen will.

Die Verhaltensweisen, sollten sie in das Verfahren einbezogen werden,  müssten genauso wie die zu vereinbarenden Ziele die Kriterien einer objektiven Beschreibbarkeit, der Erreichbarkeit aus eigener Kraft und der Messbarkeit erfüllen.  Die dabei anzuwendenden Methoden oder Verfahren wären dann ebenfalls festzulegen.

Unbeliebtheit bei den Führungskräften

Man findet nur wenig Unternehmen, in denen die Führungskräfte sich begeistert über diese Beurteilungsverfahren äußern. Die Gründe für diesen fehlenden Enthusiasmus liegen vor allem in dem immensen Zeitaufwand für die Vorbereitung und Durchführung der Mitarbeitergespräche und dem ebenso immensen Schulungsaufwand, der erforderlich wäre, um die Führungskräfte zu einem adäquaten Vorgehen zu befähigen.

Bei hoher Konzentration auf diese Aufgaben wäre das Programm bestenfalls in einem drei bis fünf Jahre dauernden Prozess umzusetzen. Diese Voraussetzungen sind aber meist überhaupt nicht gegeben und auch nicht kurzfristig erreichbar.

Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden

Weiter zeigt die Praxis, dass die Vermischung von messbaren Zielen und zu beurteilendem Verhalten der Mitarbeiter immer wieder zu willkürlich erscheinenden Resultaten führt, die von den Beurteilten oft nur schwer nachvollziehbar sind. Schlechte Beurteilungen der Verhaltensweisen  werden oft benutzt, um gute Beurteilungen der Zielerreichung zu relativieren. Wegen der oft vorhandenen, aber meist intransparenten Einbeziehung des Verfahrens in die Entgeltfindung erhalten als gut beurteilte Mitarbeitende oft eine schlechte Beurteilung der Verhaltensweisen, damit sie nicht dauerhaft Gehaltserhöhungen erhalten und so die Spreizung der Gehälter in einem Team zu hoch wird. Dies wird von den betroffenen Personen als Ungerechtigkeit empfunden und wirkt sich entsprechend auf die Motivation aus.

Fazit

Die Vermischung "kontaminiert" die oft mit großen Mühen halbwegs objektiv gestaltete Leistungsbewertung mit der Subjektivität des Urtels über Verhaltensweisen und beschädigt damit die Akzeptanz für das gesamte Verfahren.

Karl Schmitz, Mai 2017