Die IT, Corona und die Betriebsräte

Derzeit, Corona-Jahr 2021, findet IT weitgehend ohne Beteiligung der Betriebsräte statt. Die Pandemie sorgt dafür, dass sich die Aufmerksamkeit von dieser Technik abwendet. Das hat gravierende Folgen.

Digitalisierung bedeutet disruptive Modernisierung der Informations-Infrastruktur. Information kann blitzschnell verfügbar gemacht werden, ist leicht zu vervielfältigen, aber nur schwer zu kontrollieren. Sie ist beliebig oft kopierbar. Sie verliert durch Gebrauch nicht ihren Wert. Sie kennt nicht die Barrieren, die den Umgang mit dinglichen Objekten oft so schwierig machen.

Maschinen, produzierte Waren und Dienstleistungen, aber auch Menschen, Kunden, Lieferanten haben auf der Informations-Seite sozusagen ein Doppelleben. Man kann ganz schnell Dinge über sie wissen, die früher nur - wenn überhaupt - mit hohem Aufwand in Erfahrung zu bringen waren. Information verkürzt Abstände, sorgt für enorme zeitliche Beschleunigung und ermöglicht immense Einsparungen an Verwaltungs-Overhead.

Das alles passiert hinter den Kulissen, ohne Aufschrei, aber lässt tradierte Arbeitsformen verschwinden, wirft ganze Beschäftigungsbereiche über den Haufen und fällt erst auf, wenn alles schon passiert ist. Zwei Beispiele: Mobiles Arbeiten und Außendienst, sozusagen als kleine Auswahl aus Myriaden von Beispielen.

Mobiles Arbeiten

Viele Vorgänge lassen sich über ihre sie begleitenden Information steuern. Das entkoppelt die Arbeit vom Betrieb als Ort der Arbeit, in atemberaubendem Tempo. Mit dem galoppierenden technischen Fortschritt lässt sich Arbeit immer mehr von irgendwo erledigen. Das betrifft auch die Zusammenarbeit mehrerer Menschen, wie uns die durch die Corona-Pandemie gepushten Videokonferenzen ja unmissverständlich zeigen. Und allen ist klar: wenn wir die Tage nach der Pandemie erleben, wird nichts mehr sein wie früher. Die Virtualität vieler Abläufe wird der neue Alltag.

Außendienst

Ohne dass es jemand wirklich gewollt hätte und ohne dass jemand das auch nur hätte ahnen können, ereignet sich im Außendienst gerade eine Disruption wie aus dem Lehrbuch der Volkswirtschaft. So etwas hatte es bislang noch nicht gegeben. Persönliche Kontakte stehen nicht mehr an erster Stelle, sie werden durch den technischen Fortschritt und die daraus resultierenden Möglichkeiten verdrängt. Getrieben wird dieser Entwicklungssprung einerseits von der Pandemie und dem daraus resultierenden Druck, persönliche Kontakte zu reduzieren, andererseits von der Attraktivität möglicher Zeit- und Kostenersparnis, die durch den technischen Fortschritt möglich geworden ist, der jetzt eine praxistaugliche Infrastruktur für Videokonferenzen bereitstellt. Diesmal erwischt es nicht die Drucker, nicht die Heizer auf der E-Lock, sondern den Vertrieb.

Wer braucht noch so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst, wenn viele wesentlichen Aufgaben in Online-Sessions ebenso gut erledigt werden können und wenn Vertriebsmitarbeitende jetzt vier, fünf oder zehn Gespräche pro Tag mit Kunden führen anstatt zwei oder drei? Nun muss neu definiert werden, wo direkte persönliche Kontakte noch wichtig sind, wo Videokonferenzing ausreicht oder wo komplette Automatisierung von Routineabläufen nicht nur möglich sondern sogar gewünscht ist.

Gäbe es eine Landkarte der Beschäftigung, so würde man Augenzeuge von tektonischen Verschiebunden. Das alles passiert wie von selbst hinter den Kulissen der öffentlichen Aufmerksamkeit - und wieder weitgehend ohne Betriebsräte.

Aufwachen

Wollen die Betriebsräte nicht zur Trauerkolonne werden, die auf verlassenen Bahnsteigen längst abgefahrenen Zügen hinterherweint, so ist Aufwachen angesagt, und zwar gründlich und schnell. Dabei drohen alte Wege zu Sackgassen zu werden, an deren Ende man mit dem Rücken zur Wand steht.

Wir sehen zu, wie dank der Erfolge neuer Kriegsgewinnler unsere Innenstädte veröden, die klein- und mittelständischen Betriebe verängstigt in die Zukunft schauen, wir viele unserer Kolleginnen und Kollegen nur noch am Bildschirm sehen und ansonsten angehalteen sind, uns aus dem Weg zu gehen. Wir erleben viel politisches Getöse von Lockdown zu Lockdown, während die wirklichen Probleme nicht angepackt werden, siehe den Pflegenotstand und die Misere unserer Krankenhäuser, alles wie gehabt.

Nicht so die Technik. Digitalisierung sorgt mit Corona-Nachhilfe für eine Logistik, die uns staunen lässt. Die Technisierung der Kommunikation beschleunigt den Abschied von bekannten Arbeitsformen. Große global agierende Unternehmen machen sich noch breiter, die Kleinen haben wachsende Mühe, ihr Verschwinden aufzuhalten. Disruption nennt sich das - und braucht neue Antworten. Kleine Korrekturen retten uns nicht mehr. Vorteile und Nachteile sind Karten, die neu gemischt werden.

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Karl Schmitz, April 2021