Kaum ein Cloud Compting-Anbieter der großen Softwaresysteme hat sie nicht im Portfolio, ihre Big Data-Systeme im Hintergrund sollen es richten. Immer geht es darum, den Benutzern Vorschläge machen zu können, was sie demnächst unbedingt tun sollten. Zuerst werden einmal Daten gesammelt, später dann nach Ergebnissen gejagt
Nach klassischem Big Data-Konzept werden - sozusagen auf Vorrat - allmögliche Daten gesammelt:
Ursprünglich gedacht als Plattform zum Informationsaustausch interessiert die Anbieter der Systeme aber sehr viel mehr:
Und daraus lassen sich bereits eine Menge Schlussfolgerungen über die betroffenen Personen ziehen: Eher aktiv oder passiv, gut oder schlecht vernetzt, eher vielfältig oder straight on.
Anwendungssysteme sind voll davon. Jeder in einem elektronischen Workflow vorgesehene Transaktionsschritt hinterlässt in den Systemen einen Zeit- und einen Benutzerstempel und liefert eine Menge ähnlicher Informationen: Wer tut wann was? Bewegen sich die Aktivitäten in einem engen Spektrum vorgegebener Arbeitswege oder zeigen sich eher umtriebige Tendenzen des Benutzers?
Als ob es nicht genug davon gäbe: Die Office-Systeme sind durchsetzt mit den von den öffentlichen Social Media-Systemen bekannten Dingen: Themen oder Autoren folgen, Tweeds abonnieren, Beiträge liken ("Gefällt mir") oder mit Sternchen bewerten, sich in Blogs, Diskussionsforen, firmeninternen Wikis herumtummeln. Jede Nutzung ist dokumentiert, wiederum mit Zeit und Namensstempel.
Apple ist dabei (Oktober 2017) , den Technik-Freaks, die für so etwas 1300 und ein paar zerquetschte Euro ausgeben, die Gesichtserkennung anzubieten, angeblich super sicher.
Immer sind es eher kleine Skandale, die die Aufmerksamkeit erregen. So fiel Passanten auf, dass hinter harmlos dreinschauenden Werbetafeln Kamaras versteckt waren, die die Reaktion der Betrachter festhalten. Eine der Anbieter-Firmen, Quividi, bewirbt ihre Leistungen folgendermaßen:
Interessant ist vor allem der letzte Punkt. Die Software kann nach Angaben der Herstellerfirma sowohl erkennen, ob und wie lange eine Person die Infotafel betrachtet. Sie kann biometrische Merkmale wie Geschlecht und Alter abschätzen und diese Daten in einer Datenbank abspeichern. Laut Hersteller lässt sich auch die Gemütslage der Betrachter erfassen. Eine Studie der Stanford University kommt zu dem Schluss, dass die Technik auch genutzt werden kann, um z.B. die sexuelle Orientierung eines Menschen mit hoher Trefferquote vorherzusagen.
Wenn die Daten einmal eingesammelt sind, kann man sich an die Auswertung machen. Recht bieder kommen derzeit noch die Angebote der Sotwarefirmen daher, die gerne ihre Leistungen mit Schlagworten aus der Trickkiste der Künstlichen Intelligenz schmücken.
SAP mit seinem Leonardo-Konzept will zunächst Daten aus unterschiedlichen Quellen sammeln und analysieren – von der Lieferkette über Qualitätssicherung in der Produktion bis zu Informationen über die Verwendung des Produkts. Predictive Maintenance ist das Thema und der wartungsfreie Betrieb das Ziel. Der Außendienstmitarbeiter soll idealerweise schon unterwegs sein, wenn ein Service-Anruf vom Kunden kommt.
Die Employee Engagement Suite von Semos z.B. soll für neue Ansätze bei der Förderung des Mitarbeiterengagements durch Feedback sorgen. Das Labor Management von Sodales bietet Funktionen für Beschwerdeverfahren, progressive Disziplinarverfahren, Leistungsbewertung sowie das Management von Regeln für das Dienstalter.
Salesforce ist gerade mit seiner Plattform Einstein gestartet. Dabei werden ganz unterschiedliche Datenquellen in die Analyse einbezogen wie Mails, Kalender-Einträge, Twitter-Nachrichten, Aktivitäten aus dem IBM-Service Chatter und auch Daten über Kunden. Prognosen, "Customized Projection", semantische Analyse und Modellierung von Geschäftsprozessen sollen so möglich werden. In der Sales Cloud sollen Vorschläge abrufbar sein, welche Personen oder Unternehmen kontaktiert werden können. Nutzer können auch in der Marketing Cloud von Salesforce in Feeds eine Bildersuche starten, oder auf Shopping-Webseiten in der Commerce Cloud Angebote personalisieren. In der Service Cloud kann Einstein Vorschläge für Antworten bei Service-Anfragen geben, und so weiter.
Geht es nach SAP, so soll Maschinenlernen die Mitarbeiter von zuvor mühsamen Aufgaben befreien. Vorstands-Chef McDermott (2017) führte als ein Beispiel den Abgleich von Bewerbungen mit dem Anforderungsprofil der Personalabteilung an. Auch könnte das System eines Einzelhändlers aus dem Feedback auf Social Media lernen und angemessene Antworten empfehlen.
Weitere Möglichkeit: Gesichtserkennung als Login-Ersatz. Die Hintergrundsoftware könnte dann dank fortgeschrittener Mustererkennung gleich Laune und Gemütslage des Benutzers erkennen und das Scoring den Punktekonten im Potenzialkonto des lieben Mitarbeiters zufügen. Microsofts KI z.B. soll nicht nur auf Gesichter, Gesten und Sprache spezialisiert sein, sondern auch Bilder erkennen und deuten, wenn die Software entsprechend trainiert wird.
Der bekannte Medienwissenschftler Marshall MacLuhan meinte 1962 lange vor der Internet-Verbreitung mit dem von ihm geprägten Begriff des globalen Dorfs die durch elektronische Vernetzungen zu einem „Dorf“ zusammenwachsende globale Welt. Dorf ist durch Nachbarschaft geprägt, in ihrer sinnlich erlebbaren Form.
Workflows und die mit Mitteln der sog. Künstlichen Intelligenz vorgezeichneten Arbeitsschritte stehen nicht in dem Ruf, gemeinschaftsfördernd zu sein. Das Erleben einer Welt wird schrittweise ersetzt durch das Abarbeiten vorher festgelegter Arbeitsschritte, deren Ergebnis durch die ebenfalls schrittweise gemessene Performance kontrolliert wird.
Wenn wir den zurzeit nur durch Interessen am großen Geschäft geleiteten Gang der Entwicklung nicht wollen, dann ist Achtsamkeit gefragt bei allem, was sich predictive nennt.
Karl Schmitz, September 2017 |