Hybrides Arbeiten: Forschung

Zwei Frauen haben 2020 den Nobelpreis für CRISP-Cas9, die Entdeckung der Gen-Schere erhalten, vermutlich die folgenschwerste Erfindung dieses Jahrhunderts.

Walter Isaacson schildert in seinem Buch The Code Breaker - Jenifer Doudna, Gene-Editing and the Future of the Human Race die entscheidende Entwicklungsphase der Teammitglieder Emmanuelle Charpentier, Jennifer Doudna, Martin Jinnek und Krzysztof Chylinski folgendermaßen:

The Collaboration was like a model United Nations: A Berkeley Professor from Hawaii, her postdoc from the Czech Republic, a Parisian professor working in Sweden, and her polish-born postdoc working in Vienna.

„It became a twenty-four-hour operation”, Jinek recalls. „I would do an experiment at the end of my day, I would send an email to Vienna, and Krzysztof would read it as soon he got up in the morning”. Then there would be a Skype call, and they would decide what the next step should be. „Krzysztof would execute that experiment during the day and send me the results while I was asleep, so that when I woke up and opened my inbox there would be an update”. (S. 128)

Die Zusammenarbeit war eine Art Vereinte-Nationen-Modell: Eine Professorin in Berkeley aus Hawaii, ihr Assistent aus der Tschechischen Republik, eine Professorin aus Paris, die in Schweden arbeitet und ihr in Polen geborener Post-Doktorant, der in Wien arbeitet.

„Es wurde eine 24-Stunden-Operation”, erinnerst sich Jinek. „ich mache abends ein Experiment, schicke eine E-Mail nach Wien, und Krzysztof liest es, sobald er am nächsten Morgen aufgestanden ist”. Dann haben wir einen Skype Call, und wir entscheiden, welchen Schritt wir als nächsten unternehmen. „Krzysztof führt dann das Experiment tagsüber durch und schickt mir die Ergebnisse, während ich noch schlafe. Wenn ich dann aufwache und meine Inbox öffne, habe ich das Update”. (S. 128)

übersetzen

So beschreibt Isaacson anschaulich die Zusammenarbeit der vier Wissenschaftler, verstreut über die halbe Welt und längst bevor Corona das virtuelle Arbeiten so eindrucksvoll befördert hat. Begonnen hatte die Sache übrigens in einem Restaurant in Puerto Rico, wo sich die beiden Forscherinnen Charpentier und Doudna anlässlich eines Kongresses persönlich getroffen hatten.

Die Fortsetzung dieser Arbeit schildert Isaacson folgendermaßen:

In-person meetings can produce ideas in ways that conference calls and Zoom meetings can't. That had happened in Puero Rico, and it did so again when the four researchers get together for the first time in Berkeley. There they were able to brainstorm a strategy for figuring out exactly what molecules were necessary for the CRISP System to cut DNA. Physical meetings are especially useful when a project is in an early phase. There is nothing like sitting in a room with people and seeing their reactions to things and having a chance to bat around ideas face to face Doudna says. (ebd. S.131)

In persönlichen Treffen können Ideen entstehen, wie das in Conference Calls oder Zoom-Meetings nicht möglich ist. Der Sztartschuss erfolgte in Puero Rico, und das Spiel wiederholte sich wieder, als die vier Forscher zum ersten Mal in Berkeley zusammentrafen. Hier konnten sie in einem brainstorming eine Strategie entwerfen, um herauszufinden, welche Moleküle es brauchte, um das CRISP System zu befähigen, die DNA zu zerschneiden. Physikalische Treffen sind insbesondere nützlich, wenn ein Projekt noch in seiner frühem Phase steckt. „Es geht nichts darüber hinaus, in einem Raum zu sitzen, unsere Reaktionen zu sehen und die Chance zu haben, Ideen zu entwickeln und sich dabei in die Augen zu sehen” sagte Doudna. (ebd. S.131)

übersetzen

Wenn wirklich Neues bewegt werden soll, scheint der persönliche Kontakt unerlässlich. Oft ist es gerade das assoziative Denken, das sich begeistern Können für Ideen, die nicht unbedingt straightforward sind, aber den Zündstoff haben, einen auf neue Gedanken zu bringen. Schwer vorzustellen, dass die zündende nobelpreisfähige Idee im tagesordnungsfokussierten Video Call geboren worden wäre.

Steht das Konzept für die Arbeit, so erweist sich das virtuell Arbeiten Können als wahrhaft segensreich. Es bedarf des Wechsels zwischen Phasen des physischen Zusammenseins und virtuellen Arbeitens, das - zumindest im Bereich der Forschung - nur schwer in einen exakten zeitlichen Ablaufplan gezwängt werden kann.

Das mag sich für andere Arbeitsfelder völlig anders darstellen, z. B. die Sachbearbeitung in einer Versicherungsgesellschaft oder in einem Ingenieurteam für landwirtschaftliche Maschinen.

Karl Schmitz, Januar 2022