Stimmungsanalyse

Die Digitalisierung ist so schrecklich sachlich: alles klar und emotionsarm. Die Smilies sind nur eine schwache Abhilfe. Wenn man mehr über die Emotionen der Benutzerinnen und Benutzer wissen will, muss man tiefer in die Trickkiste greifen.

Sentiment Analysis nennt sich die Analysetechnik, mit deren Hilfe die emotionale Komponente der digitalen Kommunikation erfasst werden soll. Das statistische Instrumentarium einschließlich des Maschinellen Lernens wird eingesetzt, um

auszuwerten. Das alles sollte dann in Zeitreihe analysiert werden, um die Veränderungen z.B. für die Aufmerksamkeit für eine Marke oder ein Produkt mitzubekommen. Das Computational Story Lab der University of Vermont hat als Messinstrument dafür ein sog. Hedometer entwickelt und errechnet dann einen sog. Happiness-Index. Das sieht dann so aus:


Quelle: Maria Corolov, Was ist Settimal Analysis, in in CW vom 17.9.2021

Hat man mehr als Texte zur Verfügung, z.B. per VideoCalls Gesichter und Sprache, so kann man Stimmunngsanalyse-Instrumente einsetzen, um mit einer behaupteten Verlässlichkeit von über 80 Prozent Stimmungen zu erkennen wie z.B. traurig, wütend, frustriert oder interessiert, begeistert usw. Das nennt sich dann emotionale KI, Mustererkennung per überwachtem maschinellen Lernen. Da bei der Bewertung der Ergebnisse Menschen beteiligt sind, hat man die üblichen Probleme mit Verzerrungen. Die Systemanbieter wollen dies mit Algorithmen ausgleichen. Aber auch diese sind von Menschen programmiert. So beißt sich dann die Katze wieder in den Schwanz.

Ein Paradebeispiel für solcherart Software ist die US-Firma affectiva, nennt sich human inside technology, inzwischen Teil von smart eye, wirbt mit supports and pedicts human behaviour, besonders interessant für Werbung: das Versprechen einer direkten Beeinflussung menschlichen Verhaltens.

Eingesetzt werden diese Tools also nicht nur, um Werbebotschaften zielgenauer an Kundengruppen zu adressieren.

Fast alle größeren Cloud-Provider bieten Tools für diese Art von Analyse an. Sogar IBMs Watson lässt sich dafür nutzen.

Das Spektrum von Stimmungsanalysen lässt sich natürlich über Kundenerfahrungen hinaus auf Mitarbeitende ausdehnen und nennt sich dann Employee Experience. Hier sollen Produktivität, Loyalität, Bindung von Beschäftigten an das Unternehmen beobachtet und gemanagt werden. Das System wird als wichtig im Hinblick auf den Kulturwandel und Compliance-Themen beworben.

Das alles hat seine zwei Seiten, einerseits ziemlich raffinierte Mitarbeiterüberwachung, die weit über Leistung und Verhalten hinaus geht, andererseits aber auch als Büchse der Pandora für digital bisher nur schwer mögliche Wohltaten, wie folgenes Zitat zeigt:

Die Digitalisierung von HR-Prozessen wird häufig als Top-Down-Initiative verstanden und berücksichtigt die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter nur unzureichend. Statt also in starren Führungsstrukturen zu verharren, sollte im Rahmen des Change Managements eine echte Mitmachkultur entstehen, in der Mitarbeiter ein starkes Mitspracherecht erhalten und zur aktiven Mitgestaltung motiviert werden.

Quelle: Wieland Volkert, So geht Mitarbeitererlebnis, in CW vom 10.8.2021

Kommt also darauf an, was man daraus macht.

Karl Schmitz, Juli 2022