Die Hersteller von Software-Anwendungssystemen scheinen kaum noch zu bremsen sein, wenn es um Workflows geht. So darf man lernen, dass bereits die Änderung einer Hausnummer bei der Adresse ein Worklow ist, zugegeben nur ein einstufiger, aber immerhin.
Software-Entwickler gelten als technikverliebt. Was man ihnen nicht beigebracht hat, ist die folgenschwere Tatsache, dass sie Architekten von Arbeitssytemen sind, d.h. sie legen fest, wie andere Menschen arbeiten können oder sogar müssen. Software ist immer auch geronnene Arbeitsstruktur. Je mehr Workflows, desto deutlicher tritt dieser Effekt in den Vordergrund.
Das nebenstehende Plakat zeigt die Orientierung mit unverhohlener Deutlichkeit: tüfteln, codieren, entwickeln, programmieren ....
Normalerweise versteht man unter einen Workflow einen mehrstufigen Arbeitsprozess, bei dem die einzelnen Arbeitsschritte verkettet sind. Die Einhaltung dieser Schritte kann organisatorisch festgelegt bzw. angeordnet oder technisch erzwungen werden.
Technikverliebte Entwickler haben ihre Freude daran, den Algorithmus zu programmieren, der alle Eventualitäten des Workflows, je komplizierter je lieber - festlegt, mit allen Schritten im Normalfall und mit den Eskalationen für die Ausnahmefälle. Wenn etwas nicht so läuft, wie vorgesehen. Wenn im Programmcode keine Antwort gefunden wird, gibt es mehrere Möglichkeiten:
Aber was heißt "nach bestem Wissen"? Hier locken die Marketing-Abteilungen der Software-Anbieter mit der Integration von Künstlicher Intelligenz.
Sammelt man über längere Zeitabschnitte und am besten nach Big Data-Manier über die Grenzen einzelner Unternehmen hinaus die bei jedem Statuswechsel eines Workflows anfallenden Informationen (die immer neben der Art der betroffenen Transaktion auch einen Zeit- und einen Benutzer-Stempel umfassen), so bieten sich mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung Vorhersagen über mögliche Folge-Zustände an. Das war jetzt sehr abstrakt, lässt sich aber im Sinne einer Best Practice-Aussage als Vorschlag interpretieren, was jetzt zu tun sei. Und schon sind wir bei den predictive analytics. die es dann erlauben können, benutzer- oder zumindest benutzergruppenspezifische Vorschläge zu formulieren, Vorschläge, was nun am besten zu tun sei. Dies alles bewegt sich zwar noch auf bescheidenem Niveau, wie die meisten der von den führenden Softwarefirmen angebotenen Beispiele zeigen, gilt aber als ausbaufähig.
Frage: Was tut ein Mensch, wenn in einem Arbeitsprozess etwas Unvorhergesehenes und im Softwaresystem nicht Abgebildetes geschieht? Die Reaktion hängt vermutlich vom Bewusstseinszustand der betroffenen Person ab. Man kann z.B. seine Phantasie benutzen oder auf andere Weise Initiative ergreifen, seine assoziative Denkfähigkeit bemühen und sich etwas einfallen lassen.
Die Software-Anbieter scheinen ihre Lösungen eher im Betreuten Arbeiten zu sehen: Künstliche Integlligenz soll einen Ausweg finden. Bleibt die Frage, wie gut diese KI-Vorschläge sind. Und welche Nebenwirkungen das Abgewöhnen des Nachdenkens zeitigen wird. Und ob wir damit einverstanden sind, dass Maschinen uns sagen, was wir demnächst zu tun haben.
Karl Schmitz, Oktober 2017 |