Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und Schlussfolgerungen für betriebliche Regelungen

Aus dem Urteil vom 27.02.2008 des Bundesverfassungsgerichts sind insbesondere zwei Vorgaben für die betrieblichen Regelungen zu beachten:

Bei dem Abschluss vieler Vereinbarungen insbesondere zum Internet-Zugang und zur Mail-Nutzung ging es vor allem um die Frage, ob eine private Nutzung erlaubt, geduldet oder verboten werden sollte. Viele Arbeitgeber ließen sich dabei vor allem von der Annahme leiten, dass sie bei erlaubter persönlicher Nutzung den Status eines Providers hätten und die strengeren Datenschutzbestimmungen nach dem Telekommunikationsgesetz erfüllen müssten, offensichtlich in der heimlichen Annahme, dass sie anderenfalls eine Art Freibrief für weitergehende Mitarbeiterkontrollen hätten.

Das Bundesverfassungsgericht hat umfänglich ausgeführt, dass Computer heute eine viel zentralere Rolle im Leben der Menschen eingenommen haben und eine Vielzahl von Dingen speichern, die sehr weitgehende Informationen über das persönliche Verhalten speichern. Das ist auch schon der Fall, swenn der Gebrauch der Systeme auf die beruflichen Belange beschränkt bleibt. Dass jede aufgerufene Transaktion in einem Softwaresystem mit Namens- und Zeitstempel festgehalten wird, jeder Klick auf eine Seite im betrieblichen Intranet oder im (weltweiten) Internet registriert wird, jede empfangene und versendete Mail eine Spur hinterlässt, die Verbindungsdaten eines jeden Telefonats dokumentiert werden, ist heute allgemeiner Zustand in nahezu jedem größeren Betrieb. Darüber hinaus können Halbfertigprodukte von elektronisch zu erstellenden Arbeitsdokumenten in schier unbegrenzter Menge, Notizen oder anbetracht des schnellen Vordringens mobiler Anwendungen Daten über Aufenthaltsorte und Bewegungen gespeichert werden. Die Programme der Marktführer für die Personalentwicklung sehen die Speicherung von Mitarbeiter-Skills in nie dagewesener Granularität vor. Beurteilungen, Zielvereinbarungen und Zielerreichungen werden nicht mehr auf Papier in verschlossenen Ordnern festgehalten, sondern wandern ebenfalls ins Innere von Computersystemen. So entstehen vielfältige Fragmente eines Persönlichkeitsprofils, auch wenn die Computernutzung strikt auf das Dienstliche beschränkt bleibt.

Die Beschränkung auf das Dienstliche ist eine höchst ambivalente Sache. Ein Verwischen der Grenzen zwischen dienstlich und privat wird in vielen Bereichen nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern erscheint oft als ausdrücklich gewünscht. Wie anders auch lässt sich das eingeforderte hohe berufiche Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Iniviativsein, das unternehmenrische Mitdenken erklären? Abgesehen davon, dass differenzierte Informationen, wie sie z.B. im Rahmen eines Skill Managements erhoben werden, nur freiwillig von den Beschäftigten erhalten werden können.

Die Schlussfolgerung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Vertraulichkeit und Integrität kompletter informationstechnischer Systeme in Konsequenz des Persönlichkeitsrechts eines besonderen Schutzes bedarf, lässt sich genauso gut wie im privaten Bereich für die in einem Unternehmen gesammelten Daten begründen. Eine neue Ernsthaftigkeit ist gefragt im Umgang mit den persönlichen Daten im Betrieb.

Das in wichtigen Teilen für verfassungswidrig erklärte nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz musste sich die höchstrichterliche Kritik gefallen lassen, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in gebührender Sorgfalt umgegangen zu sein. Es darf vermutet werden, dass der Grund hierfür darin liegt, die Tragweite des Persönlichkeitsrechts nicht angemessen beurteilt zu haben. Die Leichtfertigkeit und Unbegründetheit, mit der in den Unternehmen Terabyte persönlicher Daten gespeichert werden, meist in Form von Protokollen von allem und jedem, was im Betrieb passiert, legen den Schluss nahe, dass es hier mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht weit her ist.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz und die entsprechenden Paragraphen in den Personalvertretungsgesetzen leiten sich ebenfalls aus dem Persönlichkeitsrecht ab. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.2.2008 darf als Aufforderung verstanden werden, die Koordinaten der Regelung des betrieblichen Computereinsatzes neu zu justieren.