Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Der bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 aufgenommene Gesetzestext für die beim Computereinsatz zu berücksichtigende Mitbestimmung des Betriebsrats ist sehr ungenau formuliert:

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
...
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

Lange Zeit gab es die Auseinandersetzung zwischen der subjektiven und der objektiven Theorie. Erstere behauptete, auf die subjektive Zwecksetzung käme es an, Mitbestimmung liege also nur dann vor, wenn der Arbeitgebereine "technische Einrichtung" zum erklärten Zweck der Überwachung einsertzt. Erst im September 1984 entschied sich das Bundesarbeitsgericht für die objektive Theorie, derzufolge es auf die objektive Eignung ankomme:

Eine technische Einrichtung ist dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie

  • Daten verarbeitert, die objektiv geeignet sind, Aussagen über Leistung oder Verhalten der Arbeitnehmer zu treffen,
  • diese Aussagen auf einzelne Arbeitnehmer oder kleine Mitarbeitergruppen bezogen werden können, wobei der Personenbezug auch mit Mitteln außerhalb des Systems erfolgen kann und
  • diese Aussagen auch aus dem System abrufbar sind.

Die Gesetzesbestimmung war überhaupt nicht für den Computereinsatz konzipiert, sondern für Fahrtenschreiber, Videokameras und Produktographen. Huete versteht man beim Computereinsatz unter der technischen Einrichtung ein lauffähiges Softwaresystem inklusive seiner Peripherie.

Die Mitbestimmungsregelung leitet sich aus dem im BetrVG formulierten allgemeinen Persönlichkeitsschutz ab; in § 75 Abs. 2 BetrVG heißt es:

Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

Dieser § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat gleichermaßen zur Respektierung der Würde des Menschen im Arbeitsleben und verweist damit auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Einschnitte in dieses Grundrecht, wie es die Verwaltung des Arbeitsverhältnisses erfordert, haben nach einer aus dem Jahr 1983 stammenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Grundsätze

  • der strikten Zweckbindung,
  • der Verhältnismäßigkeit und
  • der Normenklarheit

zu beachten (Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.1983). In drei Entscheidungen des Jahres 2008 hat das Bundesverfassungsgericht nachdrücklich betont, dass die Bedeutung des Computereinsatzes für den Bereich der Persönlichkeitsentwicklung beachtlich gestiegen ist und daher dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung eine wesentlich höhere Bedeutung zukommt, als dies gemeinhin bisher gesehen wurde. Insbesondere hat das Gericht klargestellt, dass bei Einschnitten in dieses Grundrecht die Messlatte der Verhältnismäßigkeit hoch anzulegen ist; d.h. die Eingriffe sind so sparsam wie möglich zu gestalten, und es bedarf schwerwiegender Gründe für einen solchen Eingriff (Urteil 1 BvR 370/07 vom 27. Februar 2007 zum Computergrundrecht - ausführlich: Recht auf "Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme", Urteil zum Scannen von Nummernschildern vom 18.3.2008 und Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ebenfalls aus März 2008).