Die Problematik sogenannter Soft Skills

In vielen Unternehmen werden im Rahmen der angewendeten Beurteilungsverfahren oder eines Kompetenzmanagements sogenannte soft skills verwendet. Darunter sind vor allem Qualifikationen und Fähigkeiten zu verstehen, die das kommunikative und soziale Verhalten der betroffenen Personen beschreiben. Es geht darum, die Kompetenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu messen und zu bewerten.

Oft werden in Anforderungsprofilen die idealerweise von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarteten Kompetenzen beschrieben, unterschieden nach fachlicher und persönlicher bzw. sozialer Kompetenz. Während unter Fachlicher Kompetenz im Wesentlichen zu beherrschende Wissensgebiete aufgezählt werden (Sprachkenntnisse, Kenntnisse der verschiedenen Produkte, Märkte, Geschäftsprozesse, Umgang mit den IV-Systemen usw.), beschreiben die weiteren Anforderungen so genannte soft skills. Im folgenden Beispiel sind sie unterteilt in die Kategorien Persönliche Kompetenz, Soziale und Führungskompetenz, Unternehmerische Kompetenz und Intellektuelle Kompetenz.

Die Persönliche Kompetenz

Hier werden Dinge angesprochen wie:

Gemessen werden sollen die Ausprägungen dieser Kompetenzen durch Beantwortung von Items wie: Mitarbeiter geht offen und ehrlich mit anderen um, ist sich seiner Gefühle bewusst und kann sie der Situation angemessen steuern, kann schwierige Situationen durch Nutzung von Entspannungsübungen meistern, arbeitet auch unter stetig steigenden Anforderungen (Arbeitsspitzen), reagiert seine emotionale Belastung nicht an anderen ab, hat eine optimistische Grundhaltung, hinterfragt Bisheriges, löst sich davon und sucht nach neuen Wegen, initiiert und gestaltet aktiv Veränderungsprozesse, ist bereit sein Wissen ständig zu aktualisieren, ist offen für neue Informationen, hinterfragt sich selbstkritisch, reagiert konstruktiv auf Kritik, greift Aufträge aus eigenem Antrieb auf, erledigt sie zielorientiert; hat Freude an Herausforderungen und so weiter.

Was hier beschrieben wird, sind alles wünschenswerte Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Problem liegt nicht darin, sich dies zu wünschen, sondern darin, wer dies alles zu beurteilen hat und wie dies geschehen soll. Soll die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen so weitgehend zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses gemacht werden dürfen? Fragt man, wofür die Leute eigentlich bezahlt werden, so sollte die Antwort ja schließlich nicht lauten: für den Verkauf ihrer kompletten Persönlichkeit oder gar ihrer Seele. Es entsteht der Eindruck, dass Mitarbeiter "nach Maß", und zwar nach sehr hochgestecktem Maß entwickelt werden sollen.

Führung in einem Unternehmen hat - die arbeitenden Menschen betreffend - einige wichtige Grundsätze zu beachten. Einer davon sollte das Wissen darum sein, dass erwachsene Menschen in der Regel über einen ziemlich festen Rahmen ihrer Art der Wahrnehmung, ihrer Einsichten, Erfahrungen und ihrer Interessen verfügen und sich - wenn überhaupt - nur langsam und nur wenig ändern. Insbesondere können sie äußerst renitent sein, wenn man sie von außen zwingen will, sich zu ändern.

Ein weiterer, von jeder Führung verinnerlichter Grundsatz sollte besagen, dass Beziehungen im realen Leben - wie auch in der Arbeitswelt - zwischen Menschen bestehen, wie sie sind, nicht wie sie sein sollten oder wie jemand sie gerne hätte. Das Management kann nur das einsetzen, was Menschen in ein Unternehmen mitbringen. Man kann sich die Leute nicht schnitzen. Dieser Tatbestand schließt Entwicklung nicht aus, aber "Personalentwicklung" wird nur dann Erfolg haben, wenn sie auf selbstgewähltes Lernen aufsetzt bzw. dieses ermöglicht. In vielen Unternehmen ist man aber offensichtlich der Meinung, man könne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem ihre gesamte Persönlichkeit umfassenden Maße gemäß einem Idealbild (dem "exzellenten" Profil)"entwickeln". Dies ist eine Illusion.

Wichtiger als dies ist allerdings ein anderer Sachverhalt: Wer soll das alles eigentlich beurteilen? Klar, die Führungskräfte natürlich, zum Beispiel zusammen mit den Beschäftigten im persönlichen Entwicklungsgespräch. Was hier abverlangt wird, sind Urteile über Menschen, größten Teils Werturteile, subjektive Meinungen also, die sich in dem konkreten Zusammentreffen zweier Personen gebildet haben.

Der Vorwurf heißt hier nicht, dass Objektivität verfehlt würde. Denn Objektivität kann es an dieser Stelle nicht geben; wer hier nach Objektivität trachtet, hat nicht begriffen, dass es um eine Bewertung von Erfahrungen geht, nämlich wie zwei Menschen sich in einer konkreten Arbeitssituation erleben, eventuell verzerrt durch die besonderen Rahmenbedingungen des Mitarbeitergesprächs mit vorheriger Gewissenserforschung (z.B. Durcharbeiten eines Leitfadens für Führungskräfte und dto. für Mitarbeiter). Wie eine Person eine andere erlebt, hängt von beiden Personen, der Umgebung und sicher vielem mehr ab. Was die eine Führungskraft als hohe Lernfähigkeit, emotionale Ausgeglichenheit usw. bewertet, kann eine andere Person ganz anders erlebt haben und folglich auch ganz anders bewerten. Der Vorwurf der Ungerechtigkeit wäre hier vermutlich fehl am Platz. Die Menschen sind nun mal verschieden und erleben sich auch verschieden.

Ein Gespräch mit den angesprochenen Fragestellungen mag angehen als Anregung, miteinander zu reden, Verständnis für verschiedene Sichten der Dinge zu entwickeln. Es ist aber nicht geeignet, um das Ergebnis auf einer drei- oder sechspunktigen Skala festzuhalten und womöglich noch zu einer Gesamtzahl zu addieren.

Dazu – nicht weil es so schön ist, sondern schlicht weil es so zutreffend ist – ein Sprenger-Zitat: "vier von fünf Führungskräften sind meiner Erfahrung nach nicht in der Lage, den Job zu machen, für den sie bezahlt werden: Rahmenbedingungen für hohe Mitarbeiterleistung zu schaffen" (Reinhard K. Sprenger, Aufstand des Individuums, Frankfurt 2000, S. 115).

Soziale und Führungskompetenz

Doch sehen wir weiter in den Personalentwicklungs-Köcher, was dort unter Sozialer/Führungskompetenz verstanden wird. Schon mutig, was in der Überschrift nur noch durch Schrägstrich getrennt wird. Soziale Kompetenz fokussiert (oder soll man etwa sagen: verengt) auf Führungskompetenz? Gefragt sind z.B.

Der Werteorientierung wird auf den Zahn gefühlt mit Hilfe des Items "Denken und Handeln stimmen im Sinne der gültigen Wertekultur überein". Wetten dass, wenn man drei Führungskräfte nach der gültigen Wertekultur ihres Unternehmens fragt, man auch drei verschiedene Besinnungsaufsätze erhält, mit unterschiedlichen Themen, Schwerpunkten und Bewertungen. Gerade die Wertekultur beschreibt einen von Menschen erlebten Sinnzusammenhang. Noch hat es niemand geschafft, dass alle Menschen gleich ticken, gleich erleben, gleich fühlen und gleich denken.

Leitfadenhilfen zur Beurteilung der Konfliktfähigkeit liefern Fragestellungen wie: Mitarbeiter "versteht Konflikte als Chance, geht dem Konflikt nicht aus dem Weg, löst Konflikte konstruktiv, ohne faule Kompromisse einzugehen". Nichts gegen die Fragestellung. Aber wann gehe ich einem Konflikt aus dem Weg, und wann wird dasselbe Verhalten als kluges, taktvolles Vorgehen gewertet? Als Anstoß für eine Diskussion unter gleichberechtigten Menschen: OK. Als Material für eine Mitarbeiterbeurteilung: Nein. Auch wenn darauf hingewiesen wird, dass es sich nicht um Beurteilung handelt, sondern nur um Feedback. Aber machen wir uns nichts vor: aufgeschriebenes Feedback unterscheidet sich nur durch das sprachliche Etikett von Beurteilung.

Unternehmerische Kompetenz

Eine Sonderbetrachtung ist die Kategorie "Unternehmerische Kompetenz" wert. Diese soll sich ausdrücken in

Die Überschrift "Unternehmerische Kompetenz" verleitet schon zu der Frage, ob einer der Erfinder des Bewertungssystems je darüber nachgedacht hat, warum die Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter Beschäftigte bei einem Unternehmen sind und nicht lieber ein Unternehmen gegründet haben und es führen. Sollte man unternehmerische Kompetenz nicht eher von der Führung eines Unternehmens erwarten als von denen, die keinen Einfluss auf die Ziele des Unternehmens nehmen können, die das Risiko fehlgeschlagener Unternehmenspolitik schlimmstenfalls mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bezahlen müssen. Schuster bleib bei deinen Leisten, möchte man den Erfindern solcherart Mitarbeiterbeurteilungssysteme nachdrücklich ins Stammbuch schreiben.

Der Widerspruch zwischen den aufrüttelnden Sei-Unternehmer-Parolen und der strukturellen Unmöglichkeit unternehmerischen Handelns führt in die latente Schizophrenie. Um sich davor zu schützen, bleibt den Beschäftigten oft nur der Weg in Apathie und Gleichgültigkeit. Die Leute machen ihre Witze und finden Wege, das im Kern seiner Sache nicht überzeugende System zu untertunneln. Schlimm daran: Alle wissen dies. Was bleibt, ist dann die institutionalisierte Dauer-Selbstbelügung.  

Voraussetzungen eines erfolgreicheren Projekts

Zweifellos ist es richtig und wichtig, dass Ziele und Aufgaben, die ein Unternehmen verfolgt, beschrieben sind und dass darüber ein nachzuvollziehender Konsens herrscht; die bereits erwähnte Wertekultur gehört sicherlich auch hier hin.

Ziele sollen klar sein. Wege dahin sind vielfältig, und manchmal überraschend. Durch Umwege erwirbt man Ortskenntnisse, sagt der Volksmund. Gemeint ist damit so viel, dass nicht jedes Abweichen von einer festgelegten Marschroute ein Fehler sein muss. Verabschieden wir uns einmal einen Moment von der Vorstellung des Unternehmens als Massenerziehungsanstalt für Måitarbeiter, so kann die zu bewältigende Aufgabe wie folgt skizziert werden:

Angebote wie z.B. das Modell "Lernen in der Gruppe" kommen diesem Anspruch relativ nahe.

Sinnvollerweise sollte ein Unternehmen seine Strukturen um die Menschen herum bauen, die für es arbeiten. Statt Personalentwicklung ist eigentlich Organisationsentwicklung gefragt. Eine gute Managementleistung würde sich darin erweisen, dass ein Unternehmen eine Organisation schafft, die Leistung ermöglicht, besser noch provoziert, die Raum lässt für Selbstverantwortung und Eigeninitiative. Die Unternehmensziele müssen kommuniziert sein, doch die Wege zum Erreichen der Ziele sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst selber finden. Nur wer selbst die Wege bestimmen kann, wie sie oder er sich am Erreichen der Unternehmensziele beteiligt, wird dies mit wirklichem Engagement tun.

Die gängigen Skill- oder Kompetenz-Management-Systeme stehen alldem im Wege. Sie vermessen den menschlichen Geist. Sie pressen ihn in Kästchen und bestimmen den Wert des Menschen aus der Abweichung ihres frisch vermessenen Profils vom "exzellenten" Profil. Der Mitarbeiter bleibt für die Ewigkeit seines Arbeitslebens in der Defizit-Ecke, ein allseitig geduckter, angepasster Mensch mit antrainiertem dauerhaft schlechtem Gewissen.

Ein weiteres Argument ist zu berücksichtigen. Erfahrene Personaler wissen immer wieder zu berichten, dass Initiativen in Sachen Personalentwicklung in einer Art 15-Prozent-Ghetto hängen bleiben. Will sagen, maximal 15 Prozent der Führungskräfte begeben sich mit einigermaßen Engagement in die Initiativen, mindestens zehn Prozent verhalten sich mehr oder weniger obstruktiv, und der große Rest – dem ist es eigentlich egal. Die Dinge werden so durchgezogen. Vor diesem Hintergrund sind Projekte mit einem hoch gespannten Erwartungshintergrund – wie das hier zweifelsohne der Fall ist – zum Misserfolg verurteilt. Es wäre wesentlich erfolgversprechender, wenn man nach dem Motto „der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach“ verfahren würde und mit bescheidenen, auf breiterer Basis als nützlich empfundenen Dingen anfinge, um dann später, nach erfahrener Brauchbarkeit, die Initiative auszudehnen. Umgekehrt gerät man in eine Situation, in der man immer wieder Abstriche vom Maximalkonzept machen muss, was nicht gerade hilfreich ist, um das Engagement der beteiligten Personen auf hohem Level zu halten.

Aufgaben der Betriebsräte

Was kann nun sinnvollerweose ein Betriebsrat tun? Bloßes Ablehnen ist keine gute Idee. Die komplexe Materie taugt auch nicht für ein Einigungsstellenverfahren, was vermutlich die Konsequenz eines Nein des Betriebsrats wäre.

Man kann stattdessen an eine Vereinbarung denken, die eine stufenweise Einführung eines auch aus Beschäftigtensicht vertretbaren Kompetenz-Managements vorsieht, wobei die jeweils folgenden Stufen immer erst dann frei gegeben werden, wenn die für die vorangegangene Stufe gesetzten Ziele erreicht worden sind.

Pilotversuche finden oft noch ohne jede Computerunterstützung statt. An Ende steht dann meist eine Mitarbeiterbefragung, bei der die Teilnehmer am Pilotversuch zu dessen Erfolg oder Misserfolg sich äußern sowie – in bescheidenem Rahmen – Vorschläge für das weitere Verfahren machen können.

Viele Konzepte sprechen einseitig von Skills, die aufgebaut oder gefördert werden sollen. Skills haben aber keinen Wert um ihrer selbst willen. Was man im Zusammenhang mit dem Projekt ein gehöriges Stück vermisst, ist die Zielsetzung: Skills wofür? Die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzustrebenden Skills können sinnvollerweise nur in Orientierung an die Anforderungen der Zukunft bestimmt werden. Dabei muss vorausgesetzt werden, dass das Unternehmen über eine Vision für seine Zukunft verfügt und diese auch im Unternehmen bekannt ist („Ohne Ziel kein Weg“). 

Hin und wieder hört man in diesem Zusammenhang von dem Balanced Scrorecard-Verfahren, das als Managementmethode angewendet werden soll. Dieses Verfahren hat gegenüber mancher Management-Mode den Vorteil, dass es einerseits vergangenheits- und zukunftorientierte Ziele und Messgrößen mischt, andererseits sich nicht einseitig als reines betriebswirtschaftliches Instrumentarium aufstellt. Neben der wirtschaftlichen Dimension werden die Gestaltung der Kundenbeziehungen, die Organisation der inneren Prozesse und das Innovationspotential einer Firma als von gleichrangiger Wichtigkeit betrachtet. Kundenbeziehung und Innovationspotential (oft auch Lern- und Entwicklungsbeziehung genannt) haben wesentlich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Unternehmens zu tun (und sollten allein schon deshalb die Arbeitnehmer-Interessenvertretung heftig interessieren).

Karl Schmitz 15.1.2007