Digitalisierung und Führungskultur

Die Corona-Pandemie hat Formen des virtuellen Arbeitens, hauptsächlich das Home Office, in einem vorher kaum für möglich gehaltenem Tempo vorwärts gebracht. In vielen Unternehmen waren die Führungskräfte auf diese Situation nicht vorbereitet. Sie sthen nun vor gewaltigen Anforderungen.

Die Digitalisierung hat nicht nur die Trennung vieler Arbeiten vom Betrieb als Ort der Arbeit vorwärts gebracht, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, alle für die Arbeit wichtigen Informationen an den Ort der Arbeit zu bringen, egal wo dieser sich befindet. Dies lässt sich ebenfalls nur umsetzen, wenn die Unternehmenskultur ein paar wichtige Änderungen erfährt:


Obacht: Es gibt eine hier zu beachtende Kehrseite des Cloud Computing. So sinnvoll dies für nicht geschäftskritische oder stark normierte Abläufe ist, so kritisch ist aber der mit der Auslagerung verbundene Verlust an Autonomie und der daraus resultierende Abbau eigener Kompetenzen zu sehen.

Ein kritischer Blick muss auch der Technisierung von Kommunikation gelten. Es gibt ein Zusammenspiel von formellen und informellen Prozessen. Technik kann formalisierte Abläufe wunderbar unterstützen - wohlgemerkt: unterstützen, und nicht unbedingt ersetzen. Jeder Prozess hat auch eine informelle Seite, die Dinge, die sich nicht katalogisieren lassen, unverhofft auftreten und Überraschungen bieten - sie sind beim menschlichen Geist besser aufgehoben als in workflow-getriggerten Softwaresystemen. Dieses Wechselspiel will organisiert sein und erfordert eine Menge Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl. Daraus können sich dann wieder Konsequenzen für die Verbesserung der formellen Abläufe ergeben. So kann eine Spirale des Fortschritts entstehen.

Anforderungen an die Führungskräfte und die Unternehmenskultur

Das größte Hindernis ist der Fortschritstskiller Kontrolle. Viele (vermutlich immer noch die meisten) Führungskräfte tun sich schwer damit, dem Vertrauen in die Leistungswilligkeit der Mitarbeitenden Vorrang vor der Kontrolle ihrer Arbeit einzuräumen.

Eine sinnvoll eingesetzte IT kann für eine enorme Steigerung der Transparenz sorgen. Alle können, wenn sie denn wollen, alles über ihre Arbeit, über die Zusammenhänge mit der Arbeit anderer Teams wissen. Und dieses Wissen sorgt für eine andere Art der Kontrolle, für eine Kontrolle mit sozialer Dimension, die Verantwortung und Engagement fördert. Firmen vor allem im High-Tech-Bereich haben das vorgemacht (Beispiel Projekt Oxygen von Google). Grundsatz: Keiner soll sich beklagen können, aus Mangel an Information seine Arbeit nicht machen zu können. Transparenz sorgt dafür, dass vielen Menschen auffällt, wenn etwas droht, an die Wand zu laufen. Die Aufgabe der Führungskräfte konzentriert sich dann auf die Supervision des Geschehens und vor allem darauf, Zusammenarbeit herzustellen, wo sie nicht von selber erfolgt.

 

Karl Schmitz, Dezember 2021