Web 2.0 - Die verspätete Entdeckung

Ähnlich wie seinerzeit beim Internet haben insbesondere die großen Unternehmen auch die Debatte um die Modernisierung des Web verschlafen. Doch mit einem Male wird es modern, die Defizite anzugehen: Zu wenig Interaktivität, zu wenig soziale Komponente, vernachlässigtes Wissensmanagement usw. User generated content und Social Networking heißen die Schlagworte, die den Firmen-Nachholbedarf markieren. Gemeint ist wohl eher Social Commerce. Wie auch immer, man darf jetzt etwas tun. Und man tut etwas - überwiegend kopflos.

Sehen wir uns an, was es da Neues gibt.

Weblogs oder Blogs

Ein Weblog, meist abgekürzt als Blog, ist nichts weiter als ein auf einer Webseite geführtes und damit öffentlich(oder betriebsöffentlich) einsehbares Tagebuch oder Journal. Dabei sind die Einträge umgekehrt chronologisch sortiert und meist endlos. Oft werden nur Eindrücke oder Erlebnisse aus dem Leben des Blogger genannten Verfassers (oder Bloggerin für die Verfasserin) dargeboten, manchmal auch nur zu bestimmten Themen oder nur zu Sachbebieten, oft aber auch in Form eines Rundumschlags, der die volle Lebensbandbreite umfasst. Von bestimmten Personen geführte Blogs haben sozusagen Kultstatus erlangt, eine Beachtung erreicht, die mehr Leserinnen und Leser umfasst als manche Zeitschriften und damit den Verlagsleitungen Kummer bereitet, so z.B. die WAZ-Gruppe, die für ihren Online-Auftritt der Westen. de Katharina Borchert, eine bekannte Bloggerin, engagiert hat (mehr dazu hier). Die Verfasser eines Weblogs können es ihrer Leserschaft erlauben, selber Kommentare zu den Inhalten des elektronischen Tagebuchs zu verfassen. Wer mehr wissen will, schaue gerne bei Wikipedia nach.

Internet-Foren und FAQs

gibt es immer noch. Sie sind sozusagen die altmodischeren Vorfahren der Weblogs. Man eröffenet eine Internet-Site zu einem bestimmten Thema, etwa in der Art einer elektronischen Podiumsdiskussion. Ausgewählte Personen oder - je nach Laune der Herausgeber - alle Leserinnen und Leser können Kommentare abgeben, die dann den jeweiligen Themen zugeordnet werden.

Es gibt offene und moderierte Online-Foren. Die offenen Foren haben an Beliebtheit ziemlich eingebüßt, weil es in ihnen oft so aussieht wie in einer heruntergekommenen Kneipe, in der sich der Müll auf dem Fußboden anhäuft. Bei moderierten Foren dagegen räumt jemand regelmäßig auf, was den Betreibern manchmal den Vorwurf einbringt, sie würden Zensur ausüben.

FAQs (Frequently Answered Questions) sind immer noch beliebte, sozusagen statische Sammlungen von Statements zu einem festgelegten Themenumfang, wie sie oft zur Kundenunterstützung eingesetzt werden: Fragen, die Kunden immer wieder stellen und Antworten beispielsweise des betroffenen Hardware- oder Softwareherstellers, nicht sonderlich interaktiv.


Wikis

Jetzt gibt es auch dafür kein Halten mehr, sei es, dass das in über 100 Sprachen verfügbare Online-Lexikon Wikipedia an Beliebtheit den Brockhaus übertrumpft hat oder weil nun auch Microsoft die Wikis entdeckt hat und eine spärlich verkümmerte Version davon in seine Office-Suite integriert hat.

Ein Wiki ist eine untereinander stark verlinkte Sammlung von Internet- oder Intranet-Seiten, an denen die Benutzer in Echtzeit Änderungen vornehmen oder auch neue Seiten einstellen können. So ist es möglich, dass mehrere Menschen gemeinsam an einem Thema arbeiten und ihr Wissen zusammentragen. Das ist auch der Grund, warum die Wissensmanagement-Protagonisten so scharf auf die neue Software-Spezies sind.

Es gibt Dutzende von Softwareprodukten, ein großer Teil davon ist Freeware. Die meisten Systeme unterstützen eine Versionsverwaltung, d.h. die Benutzer können Änderungen nachvollziehen und die Dokumentation sozusagen zurücksteppen. Auch lassen sich alte Zustände wiederherstellen.

Die Zugang zu Wikis kann auf bestimmte Benutzergruppen eingeschränkt werden.

Instant Messaging

ist eine zur real time erfolgende Sofortbenachrichtigung zwischen den Mitgliedern einer Gruppe von Computerbenutzern. Man sieht in einer Auflistung (von manchen Herstellern buddy list genannt) die Gruppenmitglieder, die durch Symbole (buddy icons) repräsentiert werden, z.B. ob sie anwesend oder ansprechbar sind. Man kann dann mit ihnen direkt über das Netz - sei es im Intranet der Firma oder weltweit über das Internet - Nachrichten austauschen, sehr beliebt z.B. bei Programmierteams, wenn man etwa die komplizierte Handhabung eines Befehls nicht nachschlagen will und stattdessen lieber schnell einen Kollegen (oder eine Kollegin) fragt. Leider sind die Übertragungsprotokolle der meisten Softwareprodukte untereinander nicht kompatibel. Am bekanntesten ist sicher das Microsoft-Produkt MSN-Messenger, das natürlich nur für das Windows-Betriebssystem funktioniert.

Andere Leistungsmerkmale

IP-Telefonie benutzt für die Telefondaten dasselbe Übertragungsprotokoll, wie es für den Kontakt unter Computern verwendet wird. Alles wird digitalisiert. Damit verschwinden die Grenzen zwischen elektronisch übertragenen Daten, Bildern oder Sprache. Vor allem schwinden die horrenden Preise, die die Anbieter von Telekommunikationsdiensten immer noch zu kassieren versuchen. Software in Verbindung mit Telefonie ermöglicht quasi zum Nulltarif bisher nur mit hohem Aufwand mögliche Dinge: Telefonkonferenzen, Bildtelefonie, Videokonferencing, das alles zusammen mit Desksharing, d.h. die Teilnehmer können gleichzeitig bei ihrer Konferenz gemeinsam bestimmte Dokumente ansehen und auch bearbeiten. Vorraussetzung für das alles war die Computer Telephony Integration (CTI), das Zusammenwachsen der Computer- und Telefonie-Technologien.

Karl Schmitz, Oktober 2017