Vorbemerkung
Ein Text, der als Blaupause für eine Betriebsvereinbarung zum hybriden Arbeiten, also der Kombination von Arbeiten in der Firma und Arbeiten zu Hause (Home Office) verstanden werden kann, ist nicht möglich. Zu unterschiedlich sind die Verhältnisse in den einzelnen Firmen. Deshalb finden Sie hier über weite Strecken nur Vorschläge, über die es sich lohnt nachzudenken, um sie ggf. in die Vereinbarung aufzunehmen.
In den Präambeln der meisten bisher zum Thema mobiles Arbeiten abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen wird an erster Stelle erwähnt, dass es um die Flexibilität der Arbeit und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers und dessen Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt gehe.
Im Übrigen wird in bisherigen Regelungen betont, dass die Vorgesetzten in Absprache mit den Mitarbeitenden die Details des hybriden Arbeitens bestimmen. Oft wird auch die (maximale wöchentliche) Häufigkeit des außerhalb der Firma Arbeiten Dürfens festgelegt.
In diesen sehr einseitigen Schwerpunktsetzungen bleiben viele Belange der Mitarbeitenden, die sich aus der veränderten Arbeitssituation ergeben, unberücksichtigt.
Aus Sicht des Betriebsverfassungsgesetzes sind hier insbesondere die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Schutz der Persönlichkeitsrechte) und § 112 BetrVG (Interessenausgleich) angesprochen.
Gegenstand (und Geltungsbereich)
Diese Vereinbarung regelt das Arbeiten innerhalb der Arbeitsstätten im Betrieb sowie das Arbeiten zeitweise oder regelmäßig außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätten.
Auf eine ausdrückliche Regelung des persönlichen Geltungsbereichs wird hier verzichtet. Das erspart die Differenzierung nach Beschäftigten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und Leitenden Angestellten, die sich in ihrer Managementfunktion selbstverständlich auch an die Regelungen halten müssen. Soweit die Vereinbarung persönliche Schutzregelungen enthält, gelten diese für die Leitenden Angestellten nur, wenn sich ihr Sprecherausschuss ebenfalls dieser Vereinbarung anschließt.
Zielsetzung
Ziele dieser Vereinbarung sind,
Begriffsbestimmungen
In vielen Vereinbarungen wird der Versuch unternommen, mobiles Arbeiten zu definieren und sowohl gegen das Arbeiten im Home Office als auch gegen Bereitschaft abzugrenzen. Die oben vorgeschlagene Bestimmung des Geltungsbereichs verzichtet auf solche Definitionen.
Grundsätze
Dieser Vorschlag zielt darauf, nicht nur momentan geltende Bedingungen für das hybride Arbeiten festzulegen, sondern auch den Prozess zur Entwicklung solcher Bedingungen zu vereinbaren.
Die Teilnahme an mobilem Arbeiten jedweder Form ist freiwillig und darf nicht angeordnet werden. Sie richtet sich darüber hinaus nach den in dieser Vereinbarung beschriebenen Regularien.
Entscheidend für den Erfolg hybrider Arbeitsformen ist die Berücksichtigung kommunikativer Anforderungen, die ein optimales Mix an physischen Treffen und wahlweise außerhalb des Unternehmens möglicher Einzelarbeit gewährleisten. Diese Überlegungen gewinnen an Bedeutung, wenn das Unternehmen räumliche Veränderungen für die Nach-Corona-Zeit plant. Im folgenden einige Überlegungen zu diesem Thema:
Finden geeigneter Formen hybriden Arbeitens
Aus unterschiedliche Arbeitssituationen im Unternehmen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den Mix aus Arbeit im Unternehmen und mobilem Arbeiten außerhalb des Unternehmens sowohl im Home Office als auch an anderen Orten.
Das Unternehmen wird in Workshops unter Beteiligung von Führungskräften, Beschäftigten und Mitgliedern des Betriebsrats typische Arbeitssituationen definieren, für die unterschiedliche Modelle hybriden Arbeitens entwickelt werden.
Die Virtualisierung der Arbeit stellt ein Problem für die Zusammenarbeit und deren Qualität dar. Die zu entwickelnden Modelle müssen diese Defizite im Fokus behalten und sich auf Möglichkeiten eines Ausgleichs konzentrieren.
Mehr über die Probleme mit dem virtuellen Arbeiten finden sie hier.
In der Modellentwicklung für die unterschiedlichen Formen des hybriden Arbeitens soll daher die Beantwortung folgender Fragestellungen im Fokus stehen:
Entwicklung organisatorischer Modelle
Für die definierten Arbeitssituationen werden organisatorische Modelle entwickelt, einschließlich der für ihre Umsetzung erforderlichen Ressourcen (technische Ausstattung, räumliche Ausstattung und Sicherstellung ihrer für die unterschiedlichen Modelle erforderlichen Verfügbarkeit).
Die Ergebnisse der Modellentwicklung werden in geeigneter Form im Intranet des Unternehmens veröffentlicht und stehen allen Mitarbeitenden zur Verfügung. Führungskräfte und Mitarbeitende erhalten eine ausführlich kommentierte Darstellung dieser Ergebnisse. Den Führungskräften wird ein spezielles Coaching angeboten.
Soweit formulierte Führungsgrundsätze vorliegen, empfiehlt sich die Einarbeitung der Ergebnisse aus der Modellentwicklung.
Die Darstellung der Modelle im Intranet sollte über einen Feedback-Kanal verfügen, den alle Beschäftigten für Kommentare, Kritik, Korrektur- und Ergänzungsvorschläge nutzen können. Dazu ist es erforderlich, eine Ansprechstelle zu schaffen, die sich um das erhaltene Feedback kümmert und ggf. Veränderungsprozesse anstößt.
Grundsätze für den Betrieb
Für die praktische Umsetzung aller Formen hybriden Arbeitens gelten folgende Grundsätze im Sinne von Mindestnormen:
In diesem Vorschlag wird davon ausgegangen, dass das Unternehmen mobiles Arbeiten grundsätzlich überall dort erlaubt, wo keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegenstehen. Deshalb wird hier kein Antragsverfahren für die Beschäftigten vorgeschlagen, wobei der "Vorgesetzte" dann eine Erlaubnis erteilt. Wenn in den entsprechenden Teams keine Einigung erzeilt wird, dann soll ein Konfliktregulierungsverfahren (siehe weiter unten) greifen.
Technische Ausstattung
Es ergeben sich sowohl Anforderungen an die Ausstattung für das Home Office als auch für die Arbeitssituation innerhalb des Unternehmens, bedingt durch das Erfordernis, nicht Anwesenden die Teilnahme an Treffen innerhalb des Unternehmens zu ermöglichen.
Home Office und mobiles Arbeiten
Die Basisausstattung umfasst einen Notebook-Rechner gemäß aktuellem Technik-Stand, eine Docking-Station mit großem Bildschirm, eine zusätzliche ergonomische Tastatur, eine Kamera und ein hochwertiges Headset mit guter Tonqualität. Für spezielle Arbeitssituationen werden zwei Bildschirme zur Verfügung gestellt.
Kriterien für das Erfordernis zweier Bildschirme sind z. B. die Notwendigkeit des gleichzeitigen Arbeitens mit vielen Dokumenten.
Zu klären ist, ob die Basisausstattung in Abhängigkeit von der security-policy des Unternehmens und der verfügbaren Anwendungssoftware auch einen Drucker erfordelich macht. Wenn ja, stellt das Unternehmen einen Workflow für die Beschaffung des erforderlichen Materials (Papier, Toner) zur Verfügung.
Nur wenige Unternehmen stellen ihren Home Workern auch Möbel zur Verfügung, die ergonomischen Standards genügen. Eine Möglichkeit bestünde darin, ein Budget zur Verfügung zu stellen, aus dem Unterstützungsleistungen für Mitarbeitende erfolgen können, deren Wohnsituation nicht besonders geeignet ist, ein Home Office einzurichten.
Alle mobil Arbeitenden nehmen an einer Schulung teil, in der die IT-sicherheitstechnischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen behandelt werden. Diese Schulung steht neben Präsenzveranstaltungen als interaktives Lernprogramm (mit eingebauten Tests) im Intranet des Unternehmens allen Beschäftigten zur Verfügung.
Bei Beendigung des mobilen Arbeitens werden alle vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Einrichtungen zurückgegeben.
Räumlichkeiten innerhalb des Unternehmens
In Abhängigkeit von den Modellen für hybrides Arbeiten werden die Räumlichkeiten im Unternehmen so ausgestattet, dass folgende Anforderungen erfüllt sind:
Das erforderliche Mengengerüst für die unterschiedlichen Situationen ist schwer im Voraus zu bestimmen. Deshalb wird das Unternehmen regelmäßige Überprüfungen und bei verändertem Bedarf entsprechende Anpassungen vornehmen.
Hier sollte ein Verfahren gefunden werden, welche Personen bzw. Personengruppen an dieser Entscheidungsfindung beteiligt werden und wie häufig eine Überprüfung stattfindet. Eventuelle technische Anpassungen scheitern oft am nicht verfügbaren Geld. Deshalb empfiehlt es sich, bei der jährlichen Budgetplanung einen entsprechenden Posten vorzusehen.
Arbeitszeit
In vielen Betrieben gibt es für bestimmte Beschäftigtengruppen Vertauensarbeitszeit. Hier ist zu prüfen, ob die bereits geltenden Modalitäten angepasst werden müssen.
Alle Mitarbeitende, die mobil arbeiten und der Zeiterfassung unterliegen, erfassen ihre Zeit durch vom Unternehmen in Abstimmung mit dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten elektronischen Mitteln. Die so erfasste Zeit wird automatisch mit dem Zeiterfassungssystem synchronisiert.
Für Mitarbeitende mit Vertrauensarbeitszeit wird das Unternehmen geeignete vorzugsweise digitale Werkzeuge zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe die Mitarbeitenden für sich selbst ihre Arbeitszeiten dokumentieren. Dabei ist sicherzustellen, dass das Unternehmen seine Sorgfaltspflicht nicht vernachlässigt und die Einhaltung der gesetzlichen Normen nachweisen kann.
Von den Mitarbeitenden wird außerhalb der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit sowie vereinbarten Pausenzeiten keine Arbeit und keine Erreichbarkeit erwartet.
Informationssicherheit und Datenschutz
Der Zugang zu den IT-Ressourcen des Unternehmens wird nur über vom Unternehmen zur Verfügung gestellte Geräte ermöglicht. Diese unterliegen den zur Gewährleistung der Informationssicherheit getroffenen Maßnahmen und werden auf dem aktuellen technischen Stand gehalten.
Gerade die Home Office-Verbindungen sind ein oft genutztes Einfallstor für Angriffe auf die IT-Sicherheit. Die Unterwerfung aller Geräte unter das (hoffentlich auf aktuellem Niveau verhandene) Sicherheitsmanagement des Unternehmens soll diese Gefahr reduzieren.
Schutz der Persönlichkeitsrechte
Die durch den elektronischen Datentransfer anfallenden Verbindungs- und Workflowdaten werden nicht für eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Beschäftigten genutzt. Insbesondere gilt:
Probleme bereiten einige per Cloud Computing angebotene Services, wie z.B. Microsofts M365. Zurzeit lässt sich dort die Übermittlung vieler Daten über Benutzeraktivitäten nicht unterbinden. Will man keinen grundsätzlichen Konflikt mit den Herstellern dieser Software eingehen (die behaupten, die Daten nur zur "Verbesserung ihrer Services" zu benutzen), so bleibt lediglich die Einschränkung der Verwendung, also der Verzicht auf die Auswertung.
Erfahrungsaustausch und Konfliktlösung
Die Neuheit der Situation, die schnelle technische Entwicklung und das Fehlen belastbarer Erfahrungen lassen eine regelmäßige Bewertung der Erfahrungen als dringend geboten erscheinen. An einem solchen Erfahrungsaustausch sollten neben Vertretern der Betriebsparteien auch Personen mit unmittelbarer Erfahrung aus der praktischen Arbeit teilnehmen, sowohl als Betroffene als auch als Projektverantwortliche oder Entscheider in anderen Funktionen.
Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung findet ein Erfahrungsaustausch statt, an dem Vertreter der Beteiligten (Führungskräfte, Beschäftigte aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen sowie offizielle Vertreter der Arbeitgeberseite und des Betriebsrats) teilnehmen. Hierbei werden auch Vorschläge für Änderungen oder Ergänzungen der Regelungen dieser Vereinbarung erarbeitet.
Auch hier empfiehlt sich die Vereinbarung eines Verfahrens, wie solche Änderungsvorschläge in das Regelwerk aufgenommen werden sollen.
Für die Klärung von Konflikten aus der Umsetzung der Regeln dieser Vereinbarung wird eine Clearingstelle gebildet. Sie befasst sich vor allem mit Meinungsverschiedenheiten über die Möglichkeit von mobilem Arbeiten und deren Anteil am Umfang der Arbeit.
Die Zusammensetzung und die Kompetenzen dieser Clearingstelle müssen geklärt werden, insbesondere auch das Letztentscheidungsrecht. Das Betriebsverfassungsgesetz legt es nahe, dafür eine Einigungsstelle zuständig zu machen, die dann eine verbindliche Entscheidung treffen kann.
Schlussbestimmungen
Diese Betriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Im Falle einer Kündigung wirken ihre Regelungen nach bis zum Abschluss einer neuen Regelung.
und zu guterletzt: was man nicht tun sollte.
L | Ingrid Maas | Karl Schmitz | 12.2 2022 |