Führung - einmal ganz woanders
Kein Soziologieseminar ohne Militär und Gefängnis als Paradebeispiel für Top-Down-Strukturen: Kommandowirtschaft, Befehl und Gehorsam, Leader-Follower-Prinzip.
Um so überraschender ein Buch über Führung, geschrieben von David Marquet, einem ehemaligen US-amerikanischen Atom-U-Boot-Kapitän, dessen Boot sich aus einem desolaten, demoralisierten Zustand in ganz wenig Jahren an die Spitze des internen Rankings bewegt hat. Wir lassen jetzt einmal die Frage beiseite, was uns die mehrere Hundert atomreaktorbetriebenen U-Boote für Probleme hinterlassen. Und wir diskutieren auch hier nicht die uns Deutschen abhanden gekommene Motivationsquelle, den Patriotismus der Amerikaner, für die es ein über jeden Zweifel erhabenen Wert darstellt, da zu sein, wenn die Nation ruft …
Umso erstaunlicher, was der Autor über Führung zu sagen hat, die er sehr konkret anhand der Abläufe auf einem U-Boot schildert, durchaus vergleichbar mit einem mittelständischen Unternehmen. Der Autor hat auch einen Namen für sein Konzept. Er nennt es das Leader-Leader-Prinzip. Es bedeutet eine radikale Abkehr vom altbekannten Leader-Follower-Prinzip.
Die Highlights
Nur das Wichtigste in Kürze, jeder Punkt sicher einen ganzen Absatz wert:
- Vorbild sein: anders handeln statt Denkweisen verbreiten zu wollen
- eigenes Verhalten ändern (statt nur eigenes Denken)
- konkrete Maßnahmen statt Programme
- körperliche Präsenz zeigen
- ganz wichtig: direkt kommunizieren, nicht formal
- Kompetenz und Klarheit, v.a. Klarheit über die Ziele der Organisation, dafür sorgen, dass jeder versteht, worum es geht
- Ziele vorgeben, wicht Wege vorschreiben
- kurze frühe Gespräche bei Problemen oder Unklarheiten
- Botschaften kontinuierlich und konsistent wiederholen, Verwirrungsgefahr bei veränderten Botschaften vermeiden
- Verbesserung der Prozesse statt Überwachung
- Verantwortung übernehmen, nicht sich selbst Privilegien geben (Modell Chef in Charge)
- Vertrauen aufbauen und für Mitarbeitende sorgen, den Menschen Werkzeuge zur Verfügung stellen, um ihre Lebensziele - beruflich und auch privat - erreichen zu können
- Anerkennung für gute Leistung sofort aussprechen
Wohltuend, wie der Autor seine Gedanken an konkreten Beispielen seines praktischen Handelns illustriert, statt dem üblichen Geschwätz über agiles Führen.
Das Leader-Leader-Prinzip
So nennt er seinen Führungsstil halt, im Kontrast zum Modell Leader - Follower, das seiner Meinung vor allem bei geistiger Arbeit komplett versagt. Außerdem: Nur Kommandos verfolgen erzeugt Bequemlichkeit, womit er wohl Recht hat. Er will seine Leute zu Kritikfähigkeit ermutigen, nicht zu blindem Gehorsam, Initiative zulassen, auf keinen Fall Weisung von oben.
Wenn man etwas grundsätzlich Neues will, ist es oft deshalb schwierig, weil die Leute meinen, verstanden zu haben, aber (noch) nixcht richtig wissen, wie das geht. Deshalb seine Empfehlung kontinuierlich dranzubleiben.
Man wundert sich, dass dies alles in einem militärischen Umfald möglich war. Sein unübersehbarer Erfolg war ihm dabei natürlich eine große Hilfe, aber auch kluge Vorgesetzte, die Verständnis für seine Ideen hatten und sie mit wohlwollender und konstruktiver Skepsis begleitet haben.
Für Führungskräfte: Mailadresse des Autors david@turntheshiparound.com