Das Jahr 2007 wird nicht große Spuren in den Annalen der Geschichte hinterlassen: Kein Tsunami oder vergleichbare andere Naturkatastophen, aber auch keine Mondlandung oder ein ähnliches Highlight. Aber eine Reihe von Prozessen, die ihre Schatten in das neue Jahr werfen.
Verdrehte Welt: In der CDU darf man nun Managergehälter kritisieren, die SPD sucht sich noch im Abgrenzungstaumel gegen die sich Linke nennende Nostalgikergruppe.
Das neue Jahr wird das erste sein, in dem wir Erfahrungen mit Schäubles Vorratsdatensammlung machen dürfen. Überwacht wird, was sich nicht wehrt. Das Rauchverbot als Einübung in eine neue Prohibitions-Ära haben wir schon weggesteckt. Doch damit nicht genug, unsere Erziehungs-Profis drohen nun auch noch mit dem Kinder-TÜV. Überall Kontrolle verschärfen, doch Beiträge zur Änderung der Verhältnisse: ziemliche Fehlanzeige.
Von der einst geballten Macht der Gewerkschaften reden wir schon lange nicht mehr. Ver.di veranstaltet inzwischen Streiks, die kaum jemand bemerkt. Für ein neues Polit-Event sorgt die Lokführer-Gewerkschaft, die unter den missbilligenden Blicken der Großen eine Art Guerilla-Taktik vorführt, geradeso als ob da Che Guevarra grüßen ließe. Dessen Ende ist bekannt. Bleibt uns die Hoffnung, dass die Lokführer nicht erschossen werden.
Die Wirtschaft gönnt sich eine verhaltene Wachstumsprognose. Aber bei den Menschen kommt die nicht so recht an. Die Managergehälter werden weiter steigen, trotz CDU-Kritik. Die Hartz-4-Front auch, trotz SPD-Rückbesinnung. Derweil meldet ein neues Unwort seine Kandidatur an, es heißt Prekariat. Gemeint sind die sogenannten prekären Arbeitsverhältnisse: Entgelt unter der zurzeit diskutierten Mindestlohnhöhe oder nur knapp darüber, zeitliche Befristung der Beschäftigung. Man braucht mehrere solcher Jobs, um davon leben zu können. Schlimmer aber: Kaum einer ist sich seiner Zukunft noch sicher. Der Absturz durch die Etagen des Sozialsystems kann jeden treffen. Eine Lebensplanung für die Menschen von heute : schwierig. Ohne Zweifel, wir marschieren in angelsächsische Richtung und verabschieden uns vom lange liebgehabten, am Konsens der Sozialpartner orientierten "rheinischen Kapitalismus" .
Den Menschen wird eine Flexibilisierung abverlangt, die zutreffender mit Entwurzelung beschrieben wäre. Das Soziale der Marktwirtschaft wird verabschiedet. Der Imperialismus beginnt mit der Sprache, schrieb einst der bekannte Philosoph und Erziehungswissenschaftler Paolo Freire. Sogar die Sprache der IT-Branche fügt sich in den Zeitgeist: Human Capital Management heißt neuerdings das Personalsystem von SAP - nomen est omen. Die Amerikanisierung unserer Sprache kennt kein Halten mehr. Natürlich kann man das alles auch auf Deutsch sagen, aber Compliance oder Code of Conduct heißen die Manöver, bei denen mit schön klingenden Worten Beruhigung hergestellt werden soll. Tatsächlich werden aber nur neue Vorwände verschärfter Kontrolle geschaffen, denn schließlich muss man auf breiter Front die Einhaltung der lauthals verkündeten, bewusst allgemein gehaltenen Spielregeln überwachen. Begeisterung will sich da nicht so recht einstellen.
Die Betriebs- und Personalräte sind eine der letzen Bastionen, die der reibungslosen Umsetzung der beschriebenen Trends im Wege stehen. Wir, die tse, stehen wie schon seit über zwanzig Jahren Euch Betriebs- und Personalräten zur Verfügung, wenn es darum geht, sich dafür einzusetzen, dass die Menschen Dreh- und Angelpunkt der Wertschöpfung in unseren Betrieben bleiben - wir sehen diese Aufgabe nicht allein auf die Technik beschränkt.
Wir wünsche Euch ein gutes Neues Jahr und den Mut, über Alternativen nachzudenken.
Karl Schmitz, im Namen der tse.