Kommunikationsstörungen

Dass das Arbeiten mit dem Computer nicht unbedingt teamfördernd ist, ergibt sich schon aus der Choreographie: ich sitze allein vor meinem Computer, eine klassische Eins-zu-Eins-Relation. Dass viele informelle Prozesse des Informationsaustauschs durch Technisierung der Kommunikation abgelöst werden, ist Folge der aktuellen Softwarekonzepte: Cloud Computing, bezahlt wird nach Menge des Datenverkehrs, also möglichst viele ausgedehnte workflows, möglichst viele messages, überhaupt möglichst viel klicken.

Kommunikation, ganz normal

Ob man es mag oder nicht, Kommunikation ist der Bindestoff der Arbeit. Ohne Kommunikation geht so gut wie gar nichts. Doch sie kann sehr unterschiedliche Formen annehmen.

Kommunikation hat einen Inhaltsaspekt und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt, wissen wir seit Paul Watzlawick. Die Inhalte einer Kommunikation lassen sich beschreiben, will sagen, man kann sie aufschreiben. Das freut die Digitalisierung, man muss aber eingestehen, das vieles fehlt, was die Atmosphäre, die Stimmung, die Gefühle betrifft. Empathie ist nur sehr eingeschränkt möglich, wenn bloß die Inhalte kommuniziert werden können. Zum normalen Leben braucht es die nonverbale Kommunikation, die Körpersprache, die Mimik, die soziale Nähe oder Distanz, je nachdem.

Corona-Pandemie als Katalysator

Die mit dem Fortschreiten der Office Software à la Microsoft und der social media schon erkennbaren Tendenzen haben durch Corona eine deutliche Verschärfung der Lage erfahren: Menschen im Home Office, verbringen noch mehr Zeit mit ihren Computern, Arbeit lässt Zusammenarbeit in großem Umfang nur noch auf elektronischem Vermittlungsweg zu, die unmittelbar sinnliche Wahrnehmung erfährt drastische Einschränkungen.

Und wenn man sich dann doch noch sehen kann, dann aber bitte nur mit Maske, und per social distancing. Die gebotenen anderthalb Meter machen die persönliche Distanz (ca. 50 bis 120 cm) zur verbotenen Zone.

Das verordnete Tragen von Masken greift tief in die Beziehungsebene der Kommunikation ein:

„Die Maskierung der unteren Gesichtshälfte führt ... zum Verlust von vielfältigen (Teil-)Informationen über Humor, Ironie, Sarkasmus, Ernsthaftigkeit, Angst, Wut, Trauer, Enttäuschung, Überraschung“,

Quelle: Aaron Czycoll in Corona-Angst, Berlin 2021, S. 158

meint Kommunikationsanalytiker Aaron Czycholl.

Normalerweise regeln Menschen durch die Distanz zwischen sich ihr Beziehungsgefühl und kommunizieren darüber auch die wahrgenommene Intensität ihrer Beziehung, ihr Vertrauen zueinander und auch gegebenenfalls ihre Sympathie füreinander.

Wenn das alles ausgeschaltet oder schwerwiegend eingeschränkt wird, wächst die Gefahr einer Depersonalisierung, des Verlernens von Empathie. Vereinsamung hat der Neurologe Manfred Spitzer, bekannt durch seinen Bestseller Cyberkrank, schon vor der Corona-Pandemie in seinem Buch Einsamkeit die Zivilisationskrankheit unserer Zeit genannt. Für die Qualität der Zusammenarbeit lässt das nichts Gutes hoffen. Sicher gibt es herausragende Dinge, die in konzentrierter Einzelarbeit entstehen. Doch bei genauerem Hinsehen stimmt das noch nicht einmal für die Relativitätstheorie. Fortschritt im normalen Leben, Innovation und Kreativität wollen nicht so recht in der Isolation gedeihen, die Einzelhaft am Arbeitsplatz ist kein Erfolgsmodell.

Sicher gibt es individuelle Methoden, um Ausgleich für die geschilderten Beeinträchtigungen zu finden. Offensichtlich ist es aber wichtig, den Verlust der Kommunikation als großen Schaden, unter anderem auch für unsere Gesundheit, zu begreifen und die aktuelle Politik daran zu orientieren. Eine gewisse Eile wäre dabei durchaus hilfreich, bevor man die Irreparabilität vieler Schäden feststellen muss.

Karl Schmitz, Januar 2022