SAP: Der Preis der Angst

Schlechte Nerven im Konkurrenzkampf mit Oracle

 

Herbst 2007: Rauch am ansonsten so im Erfolg strahlenden SAP-Himmel: Kein Jubel an der Börse, im Gegenteil, um fünf Prozent eingebrochener Aktienkurs - und ein Stück Vertrauensschwund für die eigene Innovationsfähigkeit.

Für satte 4.8 Milliarden Euro (das sollte man sich ausgeschrieben ansehen: 4.800.000.000 €) hat SAP die Business-Intelligence-Firma Business Objects gekauft. Der Kampf der local heros (SAP-Ex-Chef Hasso Plattner gegen Oracle-Immernoch-Boss Larry Ellison) hat schon in vergangenen Zeiten seltsame Züge offenbart, zeigte SAPs Plattner den Oraclern bei einer Segel-Regatta dem Vernehmen nach den nackten Arsch, als die Oracle-Crew den SAPlern bei einem Mastbruch nicht zu Hilfe kam. Immerhin: Oracle hat vor knapp einem Jahr die Firma Hyperion erworben, die ebenfalls nette Front End-Tools für OLAP-Anwendungen (Darunter versteht man Tools für Auswertungen von Daten, die in einem Data Warehouse gebunkert sind) produziert. Etwas über drei Milliarden Euro hat Oracle damals hingeblättert. Für SAP gilt nun offensichtlich: Man muss mithalten. Blamabel allerdings, wenn man selber Tausende von Entwicklern an Bord hat, und Innovation nur noch durch Zukauf stattfindet. Pure Angst, im Wettbewerb mit dem Dauerkonkurrenten Oracle Vorsprung zu verlieren ....

Es geht also um die Einverleibung von Kunden. Was soll die bedauernswerte SAP denn schon tun, wenn alle großen Firmen ihre Software schon haben? Mit der vor drei Jahren angedrohten Einstellung der Reporting-Unterstützung in den operativen SAP-Anwendungen will man seitdem schon die werte Kundschaft zwingen, sich ein zweites System für die Auswertungen zu kaufen, das bei SAP Business Warehouse genannte Data-Warehouse-System. Und die Kundschaft zahlt, und zwar nicht zu knapp. Für etwas, das sie dummerweise längst schon hat. Kein Problem, denn mit der IT haben die Firmen ihren eigenen Sachverstand auch gleich outgesourcet. Sie können nicht mehr selbst beurteilen, was man braucht, so sind sie den im Schlepptau der Softwareanbieter operierenden Consultant-Firmen hoffnungslos ausgeliefert. Und die sagen ihnen, dass man ein Business Warehouse braucht. Im Mainstream läuft man gut mit.

Was der Business-Objects-Erwerb liefert, ist eher magere Kost. Nette Front Ends fürs Reporting. Statistiken mit Drill-down-Effekten und Ampel-Symbolen. Etwas besser als die bisher eher öde Software-Landschaft, die der bisherige Business Explorer von SAP geboten hat, ein Excel-ähnliches Tool für die Darstellung von Auswertungs-Ergebnissen. Bei SAP hofft man nun, den Neuerwerb auch in den wie Sauerbier angebotenen Web-Services einsetzen zu können, dem A1S-System, genannt Business By Design, wieder mal eine fulminanten Erfindung des SAP-Marketings. Doch das viel gepriesene Design hat wenig mehr zu bieten als eine Auswahl von vorgekauten standardisierten Anwendungen. Den Firmen, die das nutzen, droht die Gleichschaltung. Alle haben dasselbe. Wo da der vielgerühmte Wettbewerb bleiben soll, das beibt ein wohlgehütetes Geheimnis. Henning Kagermann, derzeitiger SAP-Chef, ist gelernter Physiker. Er sollte wissen, was es bedeutet, wenn alles gleich ist. In der Physik ist das der Wärmetod. Dann steht die Zeit still, dann ist die Welt am Ende.

SAP: behalten wir im Visier

Für die Betriebsräte wird es bald neue Probleme geben. Anwendungen lassen sich zukünftig immer schwerer festlegen. Die neuen Online-Tools erlauben den Benutzern, sehr spontan ihre Auswertungswünsche in die Tat umzusetzen. Wie das mit dem Gebot strikter Zweckbindung der Verarbeitung personenbezogener Daten in Einklang zu bringen ist, wird sich zu einer ernsten Herausforderung mausern. Bleibt vorerst nur ein zweifelhafter Verbündeter, nämlich die mangelhafte Kompetenz der Unternehmen, mit den neuen Werkzeugen auch sachgerecht umgehen zu können. Doch darauf kann man sich nur kurzfristig verlassen.

Lohn der Angst war ein seinerzeit epochemachendes Filmwerk, 1953 gedreht, zwanzig Jahre vor Gründung der SAP. Der Ausgang des superspannenden Streifens ist allerdings weniger schmeichelhaft für die SAP: die vier tolldreisten Jungs, die zwei mit Nitroglyzerin gefüllte Laster zu einem brennenden Bohrloch bringen sollten, sind alle in die Luft geflogen, der letzte der vier (Yves Montand in seiner ersten weltbeachteten Rolle) aus reinem Übermut, weil er nach erfolgter Ziellandung bei der versuchten Rückkehr in die langersehnte Freiheit mit seinem Laster die Kurve nicht mehr gekriegt hat.

Karl Schmitz, Oktober 2007

Bisherige Streiflicher...