Joseph Weizenbaum gehört zu den Pionieren des Computerzeitalters. 1966 machte er Schlagzeilen mit dem Sprachanalyse-Programm ELIZA, einer Software aus der Rubrik Künstliche Intelligenz, die eine echte Unterhaltung eines Menschen mit einem Computer simulierte.
Die unreflektierte Begeisterung über die Leistungen eines Programms aus der Trickkiste der Künstlichen Intelligenz hat den am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeitenden Professor maßgeblich beeinflusst, sich von einem technikbegeisterten Computerwissenschaftler zu einem Computerkritiker zu entwickeln. Sein Plädoyer galt seitdem der Verantwortung für die Entscheidungsgewalt, die immer bei den Menschen bleiben müsse, auch und gerade dann, wenn künstliche intelligente Systeme als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung herangezogen werden.
Diese Mahnung erscheint heute berechtigter denn je, denken wir an die kollossale Überschätzung der Leistungen computerisierter Systeme, etwa wenn der berufliche Einsatz von Menschen durch ein elektronisches Skill Management oder die Auswahl von Bewerbern durch ein e-Recruitment gesteuert wird, ganz abgesehen von dem durch den Computereinsatz ins Immense gestiegenen Überwachungspotenzial.
Eine allzu leichtfertige Technikbegeisterung setzt unsere Kultur aufs Spiel. Überwachte Freiheit ist keine Freiheit mehr. Dies gilt es vor allem, der bornierten Dickfelligkeit der Politik und einem den computergläubigen Modemeinungen der Consultants folgenden Management in den Unternehmen entgegenzuhalten.
Joseph Weizenbaum starb im Alter von 85 Jahren am 5. März 2008 in Berlin, wohin er erst Mitte der 90er Jahre nach der Flucht seiner Familie vor den Nazis zurückgekehrt war. Wir verlieren mit ihm einen nimmermüden Streiter für die Bewahrung der Menschlichkeit in einer immer mehr technisierten Welt.
Karl Schmitz, März 2008