gegen die Macht der Globalisierung, meint der renomierte Wirtschafswissenschaftler Herbert Giersch, langjähriger Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Miterfinder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und und und. Der Staat habe nichts mehr zu vermelden. Im Gegenteil, durch seine Sozialstaaterei könne er alles nur noch verschlimmern... Hier eine kommentierte Zusammenfassung eines bemerkenswerten Artikels Weltoffenheit ist ein Gut von hohmen Wert, Übertitel: Das mobile Kapital erzieht die Wirtschafspolitik zur Verantwortung aus dem Handelsblatt vom 31.8.1998 (S. 27).
heißt das Zauberwort. Doch nicht ohne Bedrohung für die Weltwirtschaft. Ein krisenauslösendes Hauptproblem ist die Mobilität des Kapitals, und zwar der kurzfristigen Engagements, nicht der langfristig orientierten Direktinvestitionen.
Andererseits ist das kurzfristig mobile Kapital ein unentbehrliches Ordnungselement auf internationaler Ebene. Es übt eine Art Wächterfunktion aus und dient damit auch den Direktinvestitionen. Indem es die sicheren Häfen sucht und den gefährlicheren Plätzen entflieht, erzieht es zu einem Tun und Lassen in der Wirtschaftspolitik, das Vertrauen weckt und zum Bleiben ermuntert. So werden Zuverlässigkeit, Vorhersagbarkeit und Offenheit gefördert... So weit zunächst einmal Herbert Giersch.
Voraussetzung für das Funktionieren dieses Spiels ist das Vorhandensein eines Gleichgewichts, so dass die Vagabundisierungen des mobilen Kapitals in die Kostolanysche Hund-Gassi-geh-Parabel hineinpassen: trotz vielem Hin- und Hergerenne (mit dem Hund beim Gassi-Gehen natürlich) ist der Kurs klar und vorhersehbar (man kommt wieder an denselben Punkt zurück). Was für Spaziergänger mit Hund gilt, das gilt natürlich auch für die Weltwirtschaft, klar doch.
Nationale Politik verliert rapide an Einfluß, meint Herr Giersch weiter. Internationale mobile Produktionsfaktoren können sich, wenn sie wollen, jeglicher Besteuerung entziehen, solange es Steueroasen gibt. Dies hat aber auch Kostenfolgen, weil an den neuen Zielorten wegen der Bodenknappheit die Mieten steigen. Umgekehrt trifft es die Grund- und Bodenbesitzer, wenn der Steuerstaat zu kassierfreudig ist und zuwenig Gegenleistungen bietet: die mobilen Faktoren wandern wieder ab.
Hoffen dürfen wir auf eine Art Endlösung in Harmonie: "Im Extremfall des räumlichen Gleichgewichts ist der Nettoertrag der mobilen Faktoren überall gleich; und alles, was einen Standort auszeichnet, auch die Effizienz des Dienstleisters Staat und die relative Sicherheit des sozialen Friedens, kommt dem Wert des Bodens zugute. Deshalb wäre die beste Form der Besteuerung, die eine bodenständige Institution praktizieren kann, eine Steuer auf den Bodenwert; und die Bodenbesitzer wären die interessiertesten Wähler und Kontrolleure der Regierung." So einfach ist das. Schade nur - jedenfalls rein intellektuell - daß sich die Idee des Privatbesitzes am Äther - oder profaner an der Luft - nicht durchgesetzt hat, das gäbe Stoff für einige interessante Variationen der Gierschschen Ideen.
Ein neues supranationales Gemeinschaftsgefühl schreit nach Steuerharmonisierung. Aber keine Angst vor einem neuen mystischen Vaterland. Davor bewahren uns die Mobilität der Menschen und das Vordringen einer kosmopolitischen Moral, hofft Herr Giersch.
Und da ist noch was: die Sozialpolitik. Für Wohltaten des Sozialstandards zahlen die scheinbar Begünstigten durch Arbeitslosigkeit, sagt Herr Giersch. Oder mit Abschlag am Barlohn, wenn sie Arbeit behalten wollen. Herrn Gierschs Rat an die Beschäftigten der Peripherie: weiträumige Sozialstandards, die im Zentrum gefordert werden, um sogenanntes Sozialdumping zu unterbinden, schlechthin ablehnen. Also arm und billig bleiben. Um denen im Zentrum Feuer unter gewissen Körperteilen zu machen - oder wozu?
Umverteilung durch Zwang ist angesagt, damit ein neues Gleichgewicht sich findet. Die Globalisierung wird es besorgen. Unberührt von der Globalisierung bleiben nach Giersch freiwillige Umverteilungssysteme, Kirchen, Sekten, karitative Organisationen usw., deren Spielraum durch Zurückweichen des Sozialstaates noch vergrößert wird. Dann doch wieder ein bißchen Zwang: Jeder Bürger könnte verpflichtet werden, einen bestimmten Teil seines Einkommens für gemeinnützige und altruistische Zwecke zu reservieren, dürfte aber selber entscheiden, welcher Organisation er wieviel zu spenden gedenkt. "Auf der Straße zu betteln braucht auf die Dauer niemand", natürlich nicht. Kommt das Geld vielleicht doch aus der Steckdose? Ein weiterer Vorschlag: "Ähnlich könnte man die Sozialversicherung privatisieren, vergleichbar der Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeugen. Eine überlegenswerte Idee, jedenfalls wenn man die Auffassung teilt, der unfähigsten aller Institutionen, dem Staat, so viele Aufgaben wegzunehmen wie nur irgend möglich.
Dann doch wieder ein bißchen Staat, aber nur ein bißchen:
Je weiter die Horizonte, um so größer die Schätze, die sich entdecken und heben lassen. Offenheit im Verhältnis zur übrigen Welt muß ein öffentliches Gut sein und ist von hohem Wert. Und nun der Schlußappell:
Eine Rückkehr zum Nationalismus, Protektionismus und engstirnigen Interventionismus wäre für jedes Land und für die Weltwirtschaft insgesamt verheerend. Deshalb ist der Prozeß der Globalisierung im Trend und aus ökonomischer Sicht irreversibel. Man sollte sich ihm anpassen und nicht widersetzen.
Nicht alle sind so grüblerisch wie Herr Giersch. Sein Nachfolger Horst Siebert in Kiel hat ein paar Rezepte auf Lager.