Auch wenn es nicht mehr wirktlich neu ist, immer noch super-aktuell:

Peter Glaser:

Onlinesein. Zu Besuch in der Neuesten Welt.

Verlag Zweitausendeins, Frankfurt 1995

Onlinesein:

"Online zu sein ist Gefühlssache... Ohne Phantasie bleibt das Fenster in die elektronische Welt ein leeres Bild." S. 100.

"Allmachtphantasien, die sich an meinem ersten Computer entzündeten... Die Netze ermöglichen dem Einzelnen rauschhafte Gefühle von Omnipotenz, in denen er sich aufblähen kann zu erdumspannender Größe." S. 101

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Auswirkungen auf die Arbeitszeit, Telearbeit:

Zeitversetzung ist der Triumph des individuellen Arbeitsrhythmus über den institutionellen. S. 12.

Telearbeit: "Man fährt nicht mehr zur Arbeit und kommt erledigt nach Hause, sondern die Arbeit kommt durch das Modem und fährt erledigt in die Firma zurück". S. 143/144.

"Manche von uns führen eine privilegierte Existenz, in der Arbeits- und Privatleben fast synonym geworden sind. Mit der Einführung einer wirklich intimen Technik und der voll integrierten elektronischen Anwesenheit jedes einzelnen können immer mehr Menschen dieselben Privilegien genießen." Zitat Nicolas Negroponte, MIT, S. 144.

"Telearbeit wird die Struktur der Familie verändern. Wenn die Eltern zu Hause unter den Augen der Kinder arbeiten, wird der Nachwuchs endlich den falschen Respekt und die Angst vor Arbeit als dem Fremden verlieren, das denjenigen in der Familie, der das Geld verdient, tagsüber in seinen Klauen hält." S. 145.

Selbstdisziplin und Organisationsfähigkeit als begünstigende Faktoren. Problem für die alte Dreieinigkeit Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Gewerkschaft. S. 147.

Wandel der Orientierungen:

"Aussehen, Statusdinge oder Machtmätzchen spielen, wenn man online tätig ist, keine Rolle mehr, da sie schlichtweg nicht mehr präsent sind. Status wird definiert über das Talent und die Eleganz, mit der man sich verständlich macht. Das erzeugt eine sehr angenehme Atmosphäre von Gleichheit." S. 144.

"Status wird über den Umgang mit der Technik und die darauf zugeschnittenen Kommunikationsfähigkeiten neu definiert. Parfum und Rasierwasser spielen keine Rolle mehr, Affairen bekommen einen neuen Charakter." S. 147.

"Das Netz ist sozial, gesellig und mit menschlicher Wärme erfüllt. Das ist eine Sache, die Planer oft nicht beachten". S. 147.

Charakteristika der e-mail:

Leichtigkeit. Fax ist flotter, aber Schmierzettel-Appeal. S. 13

Informationsqualität des Internet:

"Es werden unglaubliche Mengen an Schwachsinn und Redundanz um den Globus bewegt, aber es liegen Nuggets im Schlamm." S.13.

Entwicklungstrends:

"Es gibt zwei diametral entgegengesetzte Möglichkeiten, wie Cyberspace einmal aussehen wird: Wie das Internet oder wie das Fernsehen. Zwei Superstrukturen auf Kollisionskurs." S. 175.

Internet Netztechnik:

"Die Nachrichtenverteilung funktioniert so ähnlich wie wenn man Plastikentchen in den Golfstrom wirft. Man muß an irgendeiner Stelle Zugang zum Golfstrom haben und seine Plastikentchen reinsetzen, schon wird es rund um die Welt getrieben. Und an einem selbst schwimmen all die Entchen vorbei, welche die anderen ins Wasser getan haben." S. 26.

Globaler Charakter des Internet:

"Mit den Netzen schwinden die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, und es schwinden die Trennlinien zwischen unterschiedlichen nationalen Interessen." Konkurrenz zu staatlichen Stellen durch sub- und supranationale Gruppen und Individuen. Nongovernmental Organisations. S. 40.

"Ich stelle mir vor, daß nicht mehr die Nachrichten zu den Menschen kommen, sondern die Menschen zu den Nachrichten". S. 109. Bedeutung für die traditionellen Medien. Kritik am Fernsehen.

"Die Informationsflüsse neuer Art unterminieren traditionelle Konzepte territorialer Souveränität. Elektronische Information ist schwer zu überwachen und kennt keine Zollkontrolle." S. 154.

Veränderung von Berufsbildern:

Problemdesigner. S. 56.

Hypertext, Charakteristika:

"Die neuartigen Bedeutungsgewebe kennen die fundamentalsten Eigenschaften linearer Texte nicht mehr: Anfang und Ende. Man kann sie an beliebiger Stelle betreten oder verlassen. Die Zeit der Enden geht zu Ende." S. 85.

Benutzerfreundlichkeit:

"Das Telefon, ältestes Zweiwege-Kommunikationsmittel, hat lange gebraucht, bis es sich so selbstverständlich und entspannt benutzen ließ wie heute. Bis in die siebziger Jahre waren Telefone meist verbannt in kalte, ungemütliche Vorzimmer, oder sie hingen an der Wand von Gaststätten oder Zellen, und man mußte davor geradezu strafweise stehen. Nun haben sie sich endlich vorgearbeitet in unsere unmittelbare Lebensnähe und dürfen wie Katzen mit ins Zimmer, aufs Sofa, ins Bett." S. 96.

Kritisches zum Bildtelefon S. 96. Exzess an Statik.

T-Online als Beispiel eines "Netzes von oben", konsumorientiert, selber Nachrichten verschicken ist umständlich, eingeschränkt und kostenpflichtig. S. 150.

"Viele befürchten, daß dieses Konzept nun in potenzierter Form beim Aufbau der Datenautobahnen übernommen werden könnte. Uns, der datenfernübertragenden Klasse, ist es in den zurückliegenden Jahren selbstverständlich geworden, die volle alphabetische Ausdrucksbreite anzuwenden, die einem die Computertastatur ermöglicht. Nun werden Modelle sogenannter 'interaktiver Benutzeroberflächen' vorgestellt, an denen man plötzlich nur noch ein paar Felder anklicken kann. Der eigene Beitrag, den man ins Netz schicken kann, beschränkt sich auf 'kaufen' oder 'nicht kaufen'. Mutmaßlich wird es anstelle einer Tastatur in Zukunft ein Einknopfgerät in der Art des Totmannschalters in der Eisenbahn geben: Wenn man nicht alle zwei Minuten draufdrückt, wird automatisch abgebucht und nach dem Roulettesystem zugeloste Ware geliefert. Das Netz brummt, die Wirtschaft prosperiert." S. 150 / 151.

Neue Probleme:

Zugangschancen: "Im Netzwerken steckt soviel Macht, daß es jedermann möglich wird, an einem weltweiten Markt teilzunehmen - werden wir sicherstellen können, daß jeder gleichermaßen Zugang dazu hat? Netzwerken macht es für die Mitarbeiter von Organisationen ungemein einfach, Information frei und fortwährend miteinander zu teilen. ... Netzwerken wird den Menschen Zugriff auf immense Ansammlungen historischer und aktueller geschriebener, visueller und gesprochener Information geben - werden wir Instrumente entwickeln können, die es den Menschen erlauben, ihre eigene Art des Lernens und Entdeckens innerhalb dieser Informationsmengen auszuüben? Im Netzwerken steckt das Potential, die ganze Welt zu einer globalen Zivilisation zu verbinden - wird es gelingen, eine Vielfalt an Kulturen zu erhalten." Zitat Johnson, Jr., S. 110.

Werbung: "Der Handel fährt auf der Datenautobahn herrlichen Zeiten entgegen. Virtuelle Läden haben rund um die Uhr geöffnet, sie brauchen keine Verkäufer, und Ladendiebstahl ist praktisch ausgeschlossen. Marktforschung vereinfacht sich radikal, da die Konsumenten den Untersuchern direkt in die Computer laufen. Das Programm Visionary Shopper der US-Firma Market Ware Simulation Services erlaubt es, am Bildschirm durch einen Laden zu gehen, Waren in den Regalen anzusehen und zu kaufen. Gleichzeitig kann so präzise wie nie zuvor analysiert werden, wie lange ein Kunde vor einem Produkt verweilt oder wieviel er kauft.

Nun die gute Nachricht: Weil die Benutzer im interaktiven Medium die Kontrolle haben, werden Werbebotschaften sich nicht mehr so leicht aufdrängen lassen wie bisher." S. 178.

Zentralismus vs. dezentrale Organisation:

Begünstigung dezentraler Organisation durch das Internet. Beispiel USA für die partielle Überlegenheit dezentraler Organisation. "Differenzierung wurde künstlich hergestellt.... weil es sich als einfacher erwies, dadurch eine Union zu schaffen als durch zentralistische Vereinheitlichung." Zitat Kohr, S. 111.

Gedankliche Verirrung des "Gigantomanismus" (s. Europa: EU), drohende totalitäre Gleichschaltung immer noch als politisches Leitbild. "Die politischen Theoretiker unserer Zeit, die nur das Große im Auge haben und die sich an Sammelbegriffen wie Menschheit begeistern, (niemand weiß, was das eigentlich ist und warum man für sie Leben opfern soll), halten den bloßen Gedanken, mehr anstatt weniger Staaten zu schaffen, für einen Rückschritt ins Mittelalter." S. 112.

"Stadtplaner, Verkehrsplaner, Regionalökonomen und Ökologen sind sich heute fast einig, daß die gute alte europäische Stadt mit ihren 10.000 bis 50.000 Einwohnern Leitbild für die Siedlungsform der Zukunft sein muß. Kompakte Urbanität, die auf engem Raum, aber in überschaubarer Größe Arbeiten, Wohnen, Kultur, schlicht städtisches Leben erlaubt, ohne daß die Probleme der Ballung überhand nehmen." Zitat Florian Marten S. 120.

Verschlüsselung:

Staatliches Interesse: weil Internet sich zur Leittechnologie für wirtschaftliche Strukturen entwickelt, S. 130.

DES - Data Encryption Standard (IBM): DES-Nachrichten sollen durch Druck staatlicher Stellen so eingerichtet sein, daß verschlüsselte Nachrichten zentral entschlüsselt werden können, auf richterliche Anordnung. S. 130.

Frankreich, Holland: Tendenzen zum generellen Verbot verschlüsselter Nachrichten. RSA (Verfahren nach Rivest, Shamir, Adleman): besser als DES.

US-Regierung: Plädoyer für eine Standard-Verschlüsselung, Clipper, die mit zwei Schlüsseln arbeitet, wobei ein Schlüssel bei einer zentralen Agentur zu hinterlegen ist. Neues Sicherheitsproblem: Einbruchsgefahr bei dieser zentralen Stelle mit der Folge des Knacken-Könnens aller vertraulichen Geschäftsinformationen. S. 130.

Pretty Good Privacy von Fred Zimmermann: baut auf RSA auf. Übers Internet trotz US-Exportverbot verbreitet.

Remailer: automatisches Nachrichtenversenden mit Löschen der Absenderinformationen zur Wahrung der Anonymität. S. 135.

Interessante Wortschöpfungen und Wortspiele:

Maschinensprache: ".. ein bißchen so ist, wie die Inventurliste eines Schraubenlagers auf Assyrisch zu schreiben." S. 101.

Traditionelle Datenbanken als Datenbestattungsanlagen, S. 157.

Zurückschwafelprogramm, S. 163.
"Nun kommen die Conquistadoren", S. 176
zum "Einmarsch der Medienmogule".

"Wenn Neil Postman zweimal klingelt", S. 177

zum Gezeter der Kulturpessimisten. Die "eierkraulende Wollustsau", S. 185.

"Der Mensch in dem Polstersessel träumt von der letzten Schwere. Die ersten Voraussetzungen zur Entstehung eines Schwarzen Lochs hat er erfüllt." S. 191.