Stand Dezember 1999
Unter einem Intranet versteht man die Übertragung der Internet-Ideen auf den Computereinsatz in einem Unternehmen oder einem Konzern. Das Netz ist ein System von untereinander verbundenen Servern, mit - eventuell durch Firewalls geschützten - Ausfalltoren zum Rest der Computer-Welt, sog. Gateways. Die Server sind wie bisher auch überwiegend Datenbanksysteme, aber vorzugsweise solche, die ein verteiltes Datenmanagement unterstützen.
Ende 1999 lassen sich nach einer Untersuchung der Universität Hohenheim folgende Trends in den Unternehmen erkennen:
Verteilt auf den Servern dieses unternehmensinternen Netzes werden sich die "Klassenbibliotheken" für die benutzten Java-Programme befinden. Die Objekttechnik stellt ein solches hierarchisches System zur Verfügung, das ähnlich funktioniert wie das Denken in den Köpfen der Menschen. Es gibt Oberbegriffe und davon abgeleitete Unterbegriffe, die alle Eigenschaften ihrer Oberbegriffe erben, z.B. Aufträge und Offerten bzw. bestätigte Aufträge. Letztere sind abgeleitet von dem abstrakteren Begriff Auftrag und haben zusätzlich einige spezielle Eigenschaften, die eben das Typische an einer Offerte oder einem bestätigten Auftrag ausmachen.
Dieses Konzept hat große Vorteile: Betreibt man z.B. Kalkulation und Controlling mit herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogrammen, so werden mit jeder Kopie eines Rechenblatts eventuelle Fehler über das ganze Unternehmen verteilt; bei Korrekturen müßten alle Kopien wieder eingesammelt und durch neue Versionen ersetzt werden, ein Unterfangen mit nicht unbedingt hundertprozentiger Erfolgsaussicht und ungewissen Folgen, die aus der Weiterverwendung fehlerhafter Programme resultieren. Ein Kalkulationsprogramm in Zukunft ist ein in eine Hypertext-Seite eingebettetes kleines Java-Programm, ein sog. Applet. Die in einer Tabellenzelle stehende Formel wird von einer Klasse "geerbt". Wenn darin ein Fehler enthalten ist, wird die darüberliegende Klasse verbessert - an einer einzigen Stelle in der Klassen-Bibliothek - und alle benutzten Kalkulationsblätter haben die verbesserte Formel, ohne daß man auf der Benutzerebene irgendwas austauschen muß.
Verteiltes Datenmanagement kann auch heißen, daß die Daten dort physikalisch gespeichert werden, wo sie am meisten gebraucht werden. Riesige Zentraldatenbanken mit den typischen Staus auf den Datenautobahnen des Unternehmens sind nicht mehr nötig, die Informationen können "vor Ort" bleiben, dort, wo sich die meiste sachliche Kompetenz befindet. Verantwortlichkeiten lassen sich in kleineren, überschaubar bleibenden Organisationseinheiten ansiedeln. Trotzdem sind alle diese lokalen Datenbanken miteinander verbunden und erscheinen für die Benutzer wie ein einheitliches System; diese brauchen sich nicht darum zu kümmern, wo die Daten physikalisch gespeichert sind.
Die Benutzer haben im Prinzip nur noch ein einziges Programm, eines jener elektronischen Surfbretter, die man Browser nennt. Dabei handelt es sich nur um ein Programm, mit dem man sich die untereinander verbundenen Hypertext-Dokumente ansehen kann. In diese Dokumente sind interaktive Teile als kleine Programme, als Applets integriert. Diese können dann die Verbindung herstellen zu den Klassenbibliotheken mit Programmen für alle wesentlichen "Objekte" des Geschäftslebens und zu entfernten Datenbanken, in denen die Informationen des Unternehmens gespeichert sind. Wichtig zu erwähnen: Diese Anwendungssoftware ist endgültig unabhängig von jedweder Hardware und Betriebssystem-Software, denn besagtes Browser-Programm läuft auf allen Plattformen, und Java ist endlich eine Sprache ohne Abhängigkeit zu bestimmten Prozessoren oder Betriebssystemen. Die Anwendungssoftware ist "dokumentenorientiert", d.h. sie löst sich von mehr oder minder abstrakten Vorgängen, Datenflüssen, Funktionen und dergleichen und modelliert die zu unterstützenden Arbeitsabläufe anhand der "Objekte", mit denen man zu tun hat. Wenn es um die Bestätigung eines Auftrags geht, dann sieht man vor sich auf dem Bildschirm auch eine Auftragsbestätigung, die man, so wie sie abgebildet ist, dem Kunden zukommen lassen kann (vorzugsweise auf einem elektronischen Weg, notfalls auch als ausgedrucktes und mit der Post versandtes Papier). Man bildet - mit angemessenem multimedialem Aufwand - in möglichst natürlicher, am Arbeitsgegenstand orientierter Form das ab, womit man zu tun hat. Von einer solchen Modellierung der Arbeitswelt wurde in bisherigen Anwendungen nur selten Gebrauch gemacht. Text und Zahlen wie gehabt, Graphik, Ton, Bild und bewegte Bilder stehen dafür zur Verfügung. Für die Interaktivität sorgen die Java-Applets. Eine kluge netzwerkweite Verwaltung der verwendeten Objekte muß dafür sorgen, daß das Rad nicht überall neu erfunden wird.
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil des Konzepts besteht darin, daß der bisher in den Unternehmen übliche "digitale Wildwuchs" des Gespeichertseins vieler, besonders der nicht durch Datenbanken strukturierten Informationen in unterschiedlichsten Datenformaten verschwindet und vorhandene Informationen auch anderen leicht zugänglich gemacht werden könnten, nämlich über eine Darstellung im sog. HTML-Format. Sie kann dann mit jedem Browser gelesen werden, eben im Unterschied zu den proprietären Formaten der verschiedensten Textverarbeitungen und Tabellenkalkulationen, die oft schon von einer Version zur nächsten nicht mehr kompatibel sind. So versuchen immer noch gerade die Hersteller mit Monopolanspruch, die Kunden in ihrer Abhängigkeit zu halten. Dagegen ist es tröstlich zu wissen, daß die Hypertext Marcup Language und das zur Übertragung benutzte Hypertext Transfer Protocol nicht im Besitz eines Herstellers sind.
Die Entwicklung der Anwendungssoftware wird sich von ihrer bisher vorherrschenden Techniklastigkeit endlich lösen können. Sie wird zu einer Art interaktivem Design, das zusammen mit den (späteren) Benutzern stattfinden kann. Jeder konkreten Eintwicklung eines Benutzer-Interfaces muß dann eine Debatte über die betroffenen Geschäftsabläufe vorausgegangen sein, bei der auch geklärt worden ist, was davon durch Computereinsatz unterstützt werden soll und was besser aufgehoben ist als von Menschen direkt geleistete Arbeit. Aus dieser Debatte werden sich Konsequenzen für die elektronische Bibliothek der "Geschäfts"-Objekte ergeben. Erst nach dieser begrifflichen Vorarbeit ist grünes Licht für das Modellieren des Benutze
Diejenigen Entwickler, die schwerpunktmäßig sich diesem Teil der Arbeit verschreiben werden, müssen neben den neuen Techniken eine ganze Menge von Dingen lernen, die für Programmierer vergangener Zeiten untypisch sind: Arbeitssysteme neu durchdenken, in der Modellierung der Abläufe die Rolle der arbeitenden Menschen als aktive Subjekte sehen, denen die Regie der Prozesse obliegt, sie zu neuen Vorstellungen zu animieren und dennoch die solcherart entfachte Phantasie vor unproduktiven Höhenflügen bewahren, Konflikte um unterschiedliche Interessen in arbeitsteiligen Prozessen erkennen und sie so moderieren, daß sie fair ausgetragen werden usw. Das ideenlose Abstrippen der Arbeitsabläufe auf die überall gleich aussehenden "schlanken" Geschäftsprozesse der Lean-Management-Nachbeter muß Platz machen für Modellierungen, in denen die Besinnung auf das Geschäft, das man betreiben will, und insbesondere auf eine bessere Kundenorientierung ihren Ausdruck findet und morgen bereits geändert werden können, wenn man dies für erforderlich oder wünschenswert hält.
Ein in seiner Bedeutung nicht hoch genug zu schätzendes Merkmal ist dabei der offene Umgang mit Kommunikation und Information. Jede ein Intranet-Dokument darstellende Datei läßt sich öffnen als file in editor, im Klartext: man kann den Quellcode betrachten, der aus ihr die interaktive, mit Multimedia-Elementen versehene Seite macht. Und für Intranet-Lösungen wird es kein Problem sein, auch die Bestandteile einer solchen Seite, vor allem die Java-Applets, im Quellcode verfügbar zu halten. Man kann sich dann ansehen, wie interessante Dinge realisiert worden sind. Dies ermöglicht es, exemplarisches Lernen zum Prinzip zu machen. Das Know how ist quasi öffentlich zugänglich und nicht länger verborgen in abgeschlossenen Schubladen oder Köpfen.
Die Meta-Group hat eine Studie erstellt, in der Intranet-Anwendungen aus den Bereichen Bestellwesen, Kundendienst und Jahr-2000-Umstellungen untersucht wurden (August 1997).