Anerkannte sowie selbsternannte IT-Auguren stimmen seltsam einig in ihren Prognosen für die IT-Entwicklung überein: Cloud-Computing in ungebremstem Vormarsch und natürlich auch die damit zusammenhängenden, alle auf zunehmendem Outsourcing bestehenden Geschäftsmodelle, Mobility ohne Ende und dem dadurch ausgelösten Druck auf virtuelles Arbeiten in der Arbeitswelt.
Das Konzept ist wirklich nicht neu: Auf der einen Seite eine Server-Farm, wo die bereit gestellten Softwarelösungen "gehostet" sind, auf der anderen Seite die Kunden, die diese Softwareangebote nutzen. Neu daran ist nur, dass es sich jetzt um Web-Anwendungen handelt, mit der Folge, dass auf den Computern der Kunden nicht wie bei der klassischen Client/Server-Architektur noch eigene Programme installiert sein müssen, sondern ein einfacher Browser (Internet-Explorer, Firefox oder Safari usw.) genügt. Der Vorteil einer solchen Lösung ist gleich mehrfach: Bei Versionswechseln ist keine Installation auf der Client-Seite mehr erforderlich - es reicht, das zentrale Programm auf der Serverseite auszutauschen. Dies spart Kosten ohne Ende. Ein zweiter und vielleicht entscheidender Vorteil besteht darin, dass die Benutzer immer unabhängiger vom Betrieb als Ort der Arbeit werden, je nach Spielart des Cloud Computing.
Dabei lassen sich mehrere Nutzungsformen unterscheiden: public Cloud, private Cloud und on premise-Lösungen.
Hierbei handelt es sich um das Angebot eines Dienstleisters, neudeutsch eines Providers, der allen seinen Kunden eine zentral installierte Software anbietet. Diese Software können die Unternehmen, die Kunden dieses public cloud-Anbieters sind, dann nur so nutzen, wie sie angeboten wird. Es handelt sich dabei um Standard-Software, wenig bis nicht anpassbar auf die Wünsche des Kunden. Voraussetzung für eine solche Nutzung ist natürlich ebenfalls die Standardisierung der Geschäftsprozesse, für die die Software genutzt werden soll. Die Unternehmenskunden werden mit den im Vergleich zum Eigenbetrieb niedrigeren Kosten gelockt. Der Anbieter kann die Software preisgünstiger anbieten, weil die Installations- und Pflegekosten für ihn nur zentral anfallen statt für jedes Unternehmen einzeln. Die Unternehmenskunden sparen sich den Aufwand für ständige Aktualisierungen der Software, für die Datensicherung und die Vorkehrungen für die Datensicherheit. Das besorgt alles der Provider. Der Preis dafür ist natürlich die Vereinheitlichung und der Verzicht auf unternehmensspezifische Besonderheiten. Die Daten stehen dann in der Wolke neben denen vom Bäcker um die Ecke, wenn der auch Kunde bei demselben Provider ist, getrennt lediglich durch logische Grenzen vergleichbar mit Buchungskreisen in der Finanzbuchhaltung.
Etwas - aber nur etwas privater geht es bei dieser Art von Dienstleistung zu. Hier übernimmt der Provider noch zusätzliche Customizing-Leistungen für die einzelnen Kunden, was die Angelegenheit natürlich teurer als die public cloud-Lösung macht. Customizing meint die Anpassung einer Software an die Kundenwünsche, die sich natürlich in mehr oder weniger engen Grenzen hält - alles Verhandlungssache.
Vor allem die public und private cloud-Modelle begünstigen Geschäftsmodelle, die unter den Namen Software as a Service (abgekürzt SaaS) oder Shared Services bekannt sind. Bezahlt wird wie bei der Strom- oder Wasserrechnung nach Gebrauch. Dafür werden spezielle Verträge abgeschlossen, bekannt unter der Vokabel Service Level Agreement. Hier ist alles möglich: Bezahlung gemäß irgendwie an der Ressourcennutzung orientierten Verbrauchsmessungen oder Flat Rates innerhalb definierter Bandbreiten. Eigene vom Unternehmen ansonsten vorgehaltene Infrastrukturleistungen können abgebaut, entsprechendes Personal eingespart werden. Synergien nutzen heißt der Slogan. Doch auch dies hat seinen Preis, die wachsende Abhängigkeit von den Dienstleistern.
Natürlich kann ein Unternehmen auch sein eigenes Cloud Computing machen, indem es die Rechnerwolke selber betreibt. Dies ist immer dann eine Lösung, wenn das Unternehmen auf eigene Besonderheiten Wert legt. Der Vorteil ist nach wie vor die Nutzung der Programme über das Web. Und man behält die vollständige Kontrolle über die Programme und vor allem über die Daten, für deren Sicherheit man dann allerdings auch selbst verantwortlich ist.
Eine direkte Folge des Cloud Computing ist die tendenzielle Unabhängigkeit der Arbeit vom Betrieb als Ort der Arbeit. Dies wird natürlich auch durch die Geräteentwicklung, speziell die Miniaturisierung der Computer durch die TabletPCs und SmartPhones. Nutzbar ist dann die Software überall, wo sich eine Verbindung über das Internet aufbauen lässt, also abgesehen von ein paar Funklöchern überall. Dies "befreit" arbeiten wollende Menschen nicht nur örtlich von den Grenzen des Betriebs sondern vor allem auch zeitlich, denn die Web-Services werden rund um die Uhr angeboten: 24 Stunden lang sieben mal in der Woche. Die Aufhebung örtlicher und zeitlicher Abhängigkeiten hat die prinzipiell uneingeschränkte Verfügbarkeit der arbeitenden Menschen für ihr Unternehmen zur Folge. Und wenn eine festgelegte Arbeitszeit immer unwichtiger für die Durchführung der Arbeit wird, dann stellt sich über kurz oder lang auch die Frage, ob die gemessene oder nachgewiesene Arbeitszeit denn auch weiter die Grundlage der Bezahlung ist. Dahinter winken neue Formen der Entgeltfindung wie sie vom Management by Objectives her bereits bekannt sind (Zielvereinbarungen mit Messung der Zielerreichung). Es stehen also schwergreifende Veränderungen in den kommenden Jahren an.
IBM versucht zurzeit vorzumachen, was schwärmerisch in einem white paper der Firma Citrix, bekannt u.a. als Anbieter von Techniken für das collaborative working (WebEx, GoToMeeting), nachzulesen ist. Diesem Konzept zufolge bestimmt eine kleine Gruppe von Festangestellten, was in der Firma gearbeitet wird, zerlegt dieses Konzept in lauter kleine Arbeiten und schreibt diese dann aus. Freelancer können sich für die Durchführung bewerben, und wer das günstigste Angebot macht, erhält den Zuschlag. Zugegeben gibt es dabei noch ein paar Schwierigkeiten z.B. mit der Qualifikations- und Qualitätskontrolle, aber kommt Zeit kommt Rat.
Viele multimationale Unternehmen kennen ähnliche Formen des Arbeitens bereis im Rahmen ihrer Matrix-Organisationen. Teams bestehen dann oft aus über die ganze Welt verteilten Spezialisten, die vor Ort einen disziplinarischen, auf einem anderen Kontinent einen fachlichen Vorgesetzten haben und ihre Zusammenarbeit über das Microsoft-Produkt Sharepoint oder andere Techniken des Videoconferencing mit integriertem Application oder Desktop Sharing organisieren.
Das alles hat natürlich seine Schattenseiten. Über die berichten wir in einem folgenden Dokument.
Karl Schmitz, April 2013