Kameralistik vs. Betriebswirtschaftliche Betrachtung
Öffentlicher Dienst goes BWL - Mit der Einführung der Internet-Techniken (virtuelle Rathäuser) ist oft die Ergänzung der Kameralistik um betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen verbunden. Kameralistik ist die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung im Rahmen eines Haushaltsmanagements (von SAP z.B. durch die Komponente HM unterstützt).
Was nun ansteht, ist eine beträchtliche Erweiterung, die vor allem mit einem gründlichen Umdenken verbunden ist. Die wichtigsten Merkmale:
- An die Stelle der Einnahmen-Ausnahmen-Buchungen im Rahmen eines Haushalts tritt die von privatwirtschaftlichen Unternehmen bekannte Doppelte Buchführung.
- Damit verbunden ist die Einführung einer Leistungsverrechnung. Erbrachte Leistungen müssen "verkauft" werden.
- Dies zwingt eine Institution, zu überlegen, was denn eigentlich ihre - verrechenbaren - Leistungen sind. In besonderer Weise betrifft dies solche Leistungen, die nicht direkt oder ausschließlich einer Organisationseinheit (Abteilung, Kostenstelle) zuzuordnen sind, z.B. Informatik, zentrale Bibliotheken, Verwaltungsleistungen, Teilnahme an externen/internationalen Gremien. Zu unterscheiden sind direkt verrechenbare und nicht direkt verrechenbare Leistungen (analog zu Forschung & Entwicklung in der Industrie).
- Das Verfahren setzt in vielen Fällen eine neue Organisationsstruktur voraus. Bei einem entsprechenden Projekt der Schweizer Bundesverwaltung z.B. wurden alle Stellen neu beschrieben und auch neu ausgeschrieben; jeder Beschäftigte musste sich neu bewerben. Ferner wurden die Kunden befragt, welche Dienstleistungen der entsprechenden Behörde sie überhaupt in Anspruch nehmen wollen. Dies führte in einigen Fällen zum Outsourcing wenig gefragter oder zu spezieller Dienstleistungen, aber auch zur Definierung neuer Dienste.
- Die Finanzbuchhaltung wird um eine Betriebsbuchhaltung (Controlling) ergänzt. Die Kosten einzelner Leistungen werden differenziert messbar. Für alle anfallenden Kosten stellt sich die Frage, wohin sie kontiert werden. Politische Entscheidungen werden monetarisiert.
- Erhöhte Überzeugungsarbeit ist bei den von der Umstellung betroffenen Beschäftigten erforderlich. Dies setzt eine rechtzeitige und umfassende Information voraus. Die anstehenden Veränderungen lösen bei vielen Betroffenen Ängste aus. Deshalb sind Information und Kommunikation vorab zu planen (z.B. in einem Kommunikationskonzept).
- Mitarbeiterbeteiligung: Bewährt haben sich Verfahren, bei denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf breiter Ebene in den Veränderungsprozess einbezogen wurden.
- Es entsteht ein hoher Qualifikationsbedarf für die Beschäftigten. Dieser betrifft nicht nur die entsprechenden Software-Systeme, sondern v.a. die geänderten betriebswirtschaftlichen Verfahrensweisen. Neben dem neuen Detailwissen ist das Wissen um die Zusammenhänge von besonderer Bedeutung.
- Rechtzeitig muss man die Gefahr der Überadministration sehen und deutlich gegensteuern.