Abmahnungen und Kündigungen behalten sich viele Arbeitgeber für den Fall vor, dass die firmeninternen Informations- und Kommunikationssysteme für private Zwecke genutzt werden. Der Klick auf die falsche Internetseite oder die kurze Mail in der Arbeitspause an den Freund soll dann zu bösen Konsequenzen führen. Aber noch ist nicht hinterfragt worden, ob Arbeitgeber überhaupt das Recht haben, eine nur gelegentliche private Nutzung zu sanktionieren...
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts scheint auf dem ersten Blick der harten Linie der Arbeitgeber Recht zu geben. Es urteilte etwa 1984, dass das Verdrücken eines für den Verkauf bestimmmten Bienenstich-Kuchenstücks durch die Beschäftigten die Kündigung durch den Arbeitgeber zur Folge haben kann. Aber: Eine e-mail ist bekanntlich kein Kuchenstück. Die neuen Informationsstechniken bestimmen immer mehr den Berufsalltag der Beschäftigten. Und da kann dann ja mal gefragt werden, ob das veränderte Kommunikationsverhalten außer Informations- und Leistungsverdichtung nicht auch eine modernere Rechtsprechung erforderlich macht. Das Arbeitsrecht hält in dieser Frage bislang erstaunlich bedeckt. Ein Grund für uns, mit dem folgenden Text ein paar Denkanstöße zu geben und zur Diskussion zu stellen...
Das Kommunikations- und Informationsverhalten innerhalb der Gesellschaft verändert sich stark. Gerade im Hinblick auf die rasant wachsende Bedeutung der elektronischen Kommunikation und den damit einher gehenden höheren Leistungserwartungen und arbeitsorganisatorischen Umstrukturierungen, dürfen Beschäftigte nicht von den neuen Techniken abgekoppelt werden. Für die zulässige private Nutzung sprechen unter anderem:
Forderungen aufzustellen ist die eine Seite, sie im Rahmen des geltenden Rechtes durchzusetzen, ist die andere. Ein Anspruch der Beschäftigten auf die private Nutzung des betrieblichen Kommunikationssystems kann sich unter anderem ergeben aus:
Unter Umständen ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gegenüber den Angestellten verpflichtet, die private Nutzung hinzunehmen. Hierbei ist zu differenzieren, ob es sich um e-Mail-Benutzung oder das Verbot des privaten Aufrufens von Webseiten handelt.
Bei der e-Mail-Benutzung steht die gegenseitige Kommunikation im Vordergrund. Da es sich bei den Beschäftigten nicht um "Arbeitsautomaten" handelt, muss der Arbeitgeber im Regelfall die (maßvolle) private Kommunikation der Beschäftigten dulden. Die private Nutzung des Kommunikationssystems muss sich dabei nicht ausschließlich auf Arbeitspausen beschränken, sondern kann auch in der Arbeitszeit erfolgen. Dies gilt jedenfalls, solange die private Kommunikation zu keinen Beeinträchtigungen des betrieblichen Ablaufes führt. Unter Umständen muss der Arbeitgeber dabei sogar eine geringfügige Unterschreitung der Arbeitsleistung hinnehmen: Jedem Menschen haften als Vertragspartner Schwächen an. Eine Leistungserwartung des Arbeitgebers von 100% widerspricht deshalb dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Ob es sich dabei um Kommunikation von Angesicht zu Angesicht handelt oder um Kommunikation per e-Mail, muss insoweit unerheblich sein. Gerade in Betrieben, in denen e-Mail zur dienstlichen Kommunikation eingesetzt wird, wird auch die private Kommunikation eher auf elektronischem Wege erfolgen, weil der persönliche Kontakt der Beschäftigten nur schwer herzustellen sein dürfte. Viele Einwände, die von Arbeitgebern gegen die private Benutzung des Telefons angeführt werden, greifen bei der e-Mail-Benutzung ins Leere: Eine zusätzliche Kostenbelastung ist kaum messbar. Der Arbeitgeber muss auch keine spürbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit seines e-Mail-Systems hinnehmen, wenn er persönliche e-Mails gestattet. Das Eigentum des Arbeitgebers wird in seiner potenziellen Nutzung deshalb nicht berührt. Im Rahmen der Abwägung, ob der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die private Benutzung des Kommunikationssystems zulassen muss, müssen folgende Kriterien berücksichtigt werden:
Etwas anders ist die Lage, wenn es um den Zugang zum Internet geht. Hier steht das Abrufen öffentlich zugänglicher Informationen im Vordergrund. Das Kommunikations- und Interaktionsbedürfnis mit anderen Menschen tritt in den Hintergrund. Damit verliert das Argument des Kommunikationsbedürfnisses der Beschäftigten zur Rechtfertigung der Nutzung erheblich an Gewicht.
Oft ist der Abruf von Webseiten jedoch ein schnelles und kostengünstiges Mittel zur Beschaffung wichtiger Informationen rund um den Arbeitsplatz (Gesundheitsschutz etc.). Hier wäre ein privater Nutzungsanspruch zumindest dann zu erwägen, wenn den Beschäftigten keine andere Informationsquellen im Betrieb zur Verfügung stehen. Je dezentraler die Arbeitstätten verteilt sind und je verbreiteter die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im Unternehmen ist, desto eher muss der Arbeitgeber auch hier den privaten Webseitenaufruf dulden. Dies könnte beispielsweise bei Telebeschäftigten der Fall sein. Die Voraussetzungen für ein Duldenmüssen der privaten Nutzung des Internets liegen dennoch höher als bei der Nutzung des e-Mail-Systems. Daran ändern auch die vielen neuen interaktiven Möglichkeiten des Internets nichts, mit denen Beschäftigte ähnlich wie bei der e-Mail miteinander kommunizieren können. Denn der Arbeitgeber kann die Beschäftigten zur Befriedigung ihres privaten Kommunikationsinteresses zumutbarerweise auf die Verwendung des e-Mail-Systems verweisen.
Auf dieser Grundlage könnte also durchaus ein Anspruch der Beschäftigten auf die zumindest gelegentliche private Nutzung von betrieblichen Kommunikationssystemen bestehen, und zwar ausdrücklich auch ohne Einverständnis des Arbeitgebers. (Bei den Überlegungen müssen natürlich stets die besonderen Umstände des jeweiligen Sachverhalts berücksichtigt werden: Fluglotsen sollten im Dienst wohl besser auf e-mails verzichten...) Also ein erfreuliches Ergebnis. Nur einen Nachteil hat das Ganze: Ohne Rechtsprechung im Rücken steht selbst die schönste Argumentation auf tönernden Füßen.
Dirk Hammann
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