SIX SIGMA Theorie

Übersetzung eines Artikels von Don Branthwaite vom 30. Januar 1994

Six Sigma ist eine statistische Größe, die von Phillip Crosby geprägt wurde. Sie wird benutzt um einen Null Fehler Status zu beschreiben bzw. wie nahe man nach Expertenschätzung an diesen Zustand herankommen kann. Six Sigma bedeutet 3,4 Ausfälle bei einer Million Möglichkeiten oder 99,9997% Qualitätsgrad.

Traditionell haben Firmen 99% als ausreichend erachtet. Doch 99% Qualitätsgrad sind in einem Gesamtkontext ungenügend, da dies z.B. bedeuten würde, daß im amerikanischen Postwesen pro Stunde 17.000 Briefe verloren gehen oder in amerikanischen Krankenhäusern jedes Jahr 30.000 Neugeborene versehentlich verschwinden. Viele HighTech-Unternehmen arbeiten mit Four Sigma, was 99,4% Genauigkeit oder 6.000 Ausfällen bei einer Million Möglichkeiten entspricht. Um im Wettbewerb mit japanischen Firmen bestehen zu können, ist jedoch auch Four Sigma noch unzureichend. So wurde 1987 bei Motorola Inc. Six Sigma als Qualitätsstandard eingeführt. Ein Qualitätsgrad von Six Sigma wird inzwischen in einem hochtechnisierten Wettbewerb als unumgänglich angesehen. Six Sigma betrifft nicht nur die Produktqualität selbst, sondern schließt die Fehlerfreiheit aller indirekten Prozesse mit ein. Alle Stufen vom Rechnungswesen über interne und externe Kommunikationsverfahren, Informationssysteme, Vertriebsunterstützung bis hin zum Hausmeister müssen den Qualitätsstandards von Six Sigma genügen.

Die Einführung von Six Sigma

Qualität ist etwas, was auf allen Ebenen eines Unternehmens praktiziert werden muß. Das Management muß erkennen, daß gegenwärtig praktizierte Qualitätsstandards ungenügend sind und dieses Bewußtsein muß sich durch die gesamte Organisation fortpflanzen. Bei Motorola wurde hierzu übergreifend eine permanente Qualitätskampagne einschließlich Ausbildung und Training eingeführt, um eine neue Firmenkultur mit Qualität als primärem Unternehmensziel zu etablieren. Diese Maßnahme wurde vom Management auf allen Ebenen voll unterstützt. Die Kampagne beinhaltete außer Videobändern und Six Sigma Posters, die in jedem Gebäude hingen auch einen Einführungskurs ("Was ist Six Sigma") für jeden Mitarbeiter.

Das Management muß lernen, die Intensität der Maßnahmen ständig aufrechtzuerhalten, um diesen Trend des Qualitätsgrads in Richtung Six Sigma zu forcieren. Wenn erst einmal das richtige Qualitätsbewußtsein entstanden ist, muß das Management diese Einstellung der Mitarbeiter durch immer neue und mitreißende Aktionen konservieren. Hat man motivierte und entsprechend geschulte Mitarbeiter zur Verfügung, so läßt sich durch Einführung von 6 Schritte eine gemeinsame Vision erzeugen.

Abgesehen von der Identifikation des Managements und der permanenten neuen Impulse für die Mitarbeiter, haben sich 6 fundamentale Regeln herausgestellt, die Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung von Six Sigma in jedem Unternehmen sind:

 
 

1

Identifizieren von Produkt oder Service, der dem Kunden angeboten werden soll.

Eine Software-Entwicklungsabteilung sieht als Basis für ein Entwicklungsprojekt z.B. die "Lines of Code", die nötig sind, um diese neue Anwendung zu erstellen. Diese "Qualität" ist jedoch absolut bedeutungslos für den Enduser, der sich ärgert über die Art und Weise, wie er ein Rechnungsformular ausfüllen muß. Das Produkt muß ein benutzerfreundliches Rechungserstellungssystem sein, kein von der Entwicklungsabteilung geschriebenes Auftragswerk. Die Entwickler müssen dafür sorgen, daß daraus ein gut zu bedienendes Programm wird, auch wenn dies eine höhere Anzahl der Lines of Code bewirkt.

 

2

Identifizieren des Kunden und dessen, was für ihn wichtig ist

Diese Maßnahme hilft, bestimmte Kundenanforderungen zu erkennen und jede Abweichung, die dazu führt, daß eine dieser Anforderungen nicht erfüllt werden kann, ist als Fehler zu werten. Diese Sichtweise berücksichtigt genau die Elemente, die für den Kunden von elementarer Wichtigkeit sind. Wenn ein kritischer Faktor die Genauigkeit und Exaktheit ist, dann ist - um bei dem Beispiel der Rechnungserstellung zu bleiben – das wichtigste Kriterium, daß z.B. alle Teilenummern vollständig und korrekt aufgezeichnet werden.

 

3

Identifizieren, was notwendig ist, um einen Herstellerservice aufzubauen, mit dem der Kunde zufrieden ist.

Wenn die Kundenanforderungen einmal definiert sind, müssen die Mitarbeiter bestimmen, welche Ressourcen nötig sind (Kosten, Planungszeiträume und Ausbildung), um die entsprechende Kundenzufriedenheit zu erreichen.

 

4

Definieren der Prozesse

Diese Analyse sollte bis auf Einzelaktivitäten hinunter stattfinden. Die Mitarbeiter, die diese Jobs erledigen, sollten die Ermächtigung haben, diese Prozesse frei zu definieren und zu verbessern, um geeignete Qualitätsmeßgrößen zu erhalten.

 

5

Optimieren der Prozesse und vermeiden unnötiger Arbeiten

Dieser Optimierungsprozeß besteht aus zwei Kategorieren:

1.

Identifizieren potentieller Fehlerquellen auf Basis jedes Arbeitsschritts und verringern der Wahrscheinlichkeit, daß diese Fehler auftreten können. Diese Maßnahme schließt folgende Maßnahmen mit ein: Vereinfachung der Arbeitsschritte, Definition von Tests, Training für spezielle Fehlersituationen und Standardisierung von Abläufen.

 

2.

Vermeiden unnötiger Arbeitsschritte. Wenn ein neues Produkt Bestandteile bestehender Entwicklungen wiederverwenden kann, dann sollte dieses neue Produkt auf den bestehenden Entwicklungen aufsetzen, wenn diese dafür geeignet sind. Im Produktionsprozeß z.B. kann ein Team von Mitarbeitern aus Entwicklung, Konstruktion und Produktion einen Prozeß finden, der anstatt mit 50 Arbeitsschritten mit 25 auskommt und somit auch die Fehlerwahrscheinlichkeit vermindert.

 

6

Review - Sicherstellen und ständiges Verbessern der Prozesse durch Messen und Analysieren

Dieser Schritt beinhaltet das Formulieren und Veröffentlichen der aktuellen Maßzahlen gegen die Zielwerte und verbindet diese mit einer Bonusstruktur im Unternehmen. Bei Motorola treffen sich die Senior Manager der Fertigungsstätten 8 mal im Jahr, um den Fortschritt in Richtung Six Sigma zu überprüfen.

 

 

Nach Durchführung dieser 6 Maßnahmen wird sich eine Verbesserung der Qualität einstellen, da die Fehlerbehebung an der Wurzel geschieht nämlich im Designprozeß und nicht versucht wird durch Justage der Fertigungsmaschinen die Defektrate zu optimieren.

Um einen Six Sigma Grad zu erreichen, müssen Zulieferfirmen ebenfalls angehalten werden, sich zu den gleichen Qualitätsmaßstäben zu verpflichten. Wenn Zulieferfirmen Six Sigma Qualität nicht erfüllen können, sollten sie von der Liste der Zulieferer gestrichen werden. Motorola’s Kommunikationssektor bezog 1983 noch von 5.000 Firmen Bauteile, 1989 waren es nur noch 1.600 und eventuell wird man unter 400 Zulieferer kommen, da es wenige Firmen gibt, die in der Lage sind, den Six Sigma Qualitätsansprüchen zu genügen.

 

Barrieren für eine Einführung von Six Sigma

Im Fertigungsprozeß ist Six Sigma leicht zu quantifizieren: entweder sind die Ausfälle in einem Bereich von 3,4 pro Million oder nicht. Für die Anwendung von Six Sigma in indirekten Bereichen müssen einige Anpassungen gemacht werden. Bei Motorola war man der Meinung, daß nicht-technische Tätigkeiten nicht als sich wiederholende Prozesse beschrieben und analysiert werden könnten. Die Mitarbeiter waren auch der Ansicht, daß die "Units of Work" bei nichttechnischen Tätigkeiten nicht zwingenderweise identisch seien. Schulungsmaßnahmen waren nötig, um diese Mißverständnisse auszuräumen. Nicht-technisch orientierte Teams lernten Ihre eigene Arbeit zu beschreiben, zu analysieren und die Fehlermöglichkeiten zu erkennen. In Motorola’s Publikationsabteilung stieg der allgemeine Qualitätsgrad von 4,5 auf 5,6 Sigma alleine durch Reduzierung von Tipp- und Übersetzungsfehlern in allen Publikationen. Denn obwohl, die Publikationen unterschiedlichster Art waren, konnten Tippfehler als gemeinsame Größe quantifiziert und gegen Six Sigma Qualität gemessen werden.

Die Kosten für eine Änderung der Unternehmenskultur und die Einführung von Six Sigma sind enorm. Die jährlichen Ausbildungskosten bei Motorola betragen über 100 Millionen Dollar. Xerox investiert 1,3 Milliarden Dollar, um jeden ihrer 100.000 Mitarbeiter zu schulen. Diese Einstiegskosten mögen abschreckend wirken, aber sie führen zu substantiellen Kostensenkungen und erhöhten Verkäufen bei Kunden, die eine hohe Qualität fordern.

 

Auswirkungen von Six Sigma

Das Six Sigma Konzept wurde 1987 bei Motorola eingeführt und bereits 1988 wurden dramatische Einsparungen sichtbar. Motorola sparte bis heute nahezu 2 Milliarden Dollar durch verminderte Fehlerkosten seit der Einführung von Six Sigma in 1987. Diese Qualitätsverbesserungen halfen Motorola seine Marktführerschaft bei Paging Geräten im Wettbewerb mit dem Japanern zu behaupten. Motorola’s Pager gehören auch in Japan zu den Verkaufsschlagern. Hewlett-Packard sparte schätzungsweise 600 Millionen Dollar an Gewährleistungsfällen und etwa 5 mal soviel an Herstellungskosten, seit der Einführung von Six Sigma.

 

Strategische Auswirkungen

Das Oxford Dictionary definiert das Wort Qualität als "degree of excellence". Im internationalen Wettbewerb kann heute kein Unternehmen ohne Qualitätsbewußtsein überleben. Six Sigma ist der Inbegriff von Qualität und muß von allen Unternehmen adaptiert werden, um im Markt zu bestehen. Unternehmen, die mit japanischen Konkurrenten zu tun haben, müssen sich dieser Herausforderung stellen, da die Japaner Six Sigma längst als Standard gesetzt haben.

Kunden werden nicht länger Produkte "nach alter Bauart" akzeptieren, wenn es Qualitätsprodukte von einem Mitbewerber gibt. Unternehmen, die Six Sigma bereits zu ihrer Philosophie gemacht haben, werden auf Ihre Zulieferer einwirken, dies ebenfalls zu tun. Unternehmen können Six Sigma nicht komplett umsetzen, wenn sie von Teile Zulieferern anhängig, die diesem Anspruch nicht genügen. Six Sigma wird in naher Zukunft der Einstiegspreis in einen globalen Wettbewerb sein. Unternehmen, die für eine neue Firmenkultur in Richtung Six Sigma Qualität inklusive aller nötigen Maßnahmen Geld investieren, werden für die kommenden Märkte im Hochtechnologiebereich gut vorbereitet sein.