Wendelin Wiedeking:

ANDERS IST BESSER

EIN VERSUCH ÜBER NEUE WEGE IN WIRTSCHAFT UND POLITIK


Piper Verlag München Zürich 2006 19.80 €

Erstaunliches aus der Feder eines Topmanagers. Gewinn ist nicht alles, heißt es gleich im Vorwort, Unternehmen dürfen nicht nur Kosten kappen, um schnelle Profite zu machen, sondern sie müssen ein langfristiges Ziel haben.

Wiedeking kritisiert die einseitige Ausrichtung des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmens am Aktienkurs, die spätestens dann fatale Folgen hat, wenn auch noch die Bezahlung der Manager an diese Entwicklung gekoppelt wird. Die Risiken und Nebenwirkungen sind eine im Rhythmus der Börsen-Quartalsberichte getaktete Kurzatmigkeit, die das langfristige Bestehen der Unternehmen aus dem Fokus verliert. Er legt sich förmlich an mit den Auguren dieses Spiels, den Analysten, "zumeist junge Hochschulabsolventen ohne praktische Erfahrung im Unternehmen - oder gar Menschenkenntnis -, die populäre Theorien wie die des Shareholder Value nachbeten".

Die realwirtschaftlichen Zwecke eines Unternehmens dürfen nicht verwechselt werden mit den finanzwirtschaftlichen Zwecken von Anlegern (S. 52). Customer Value: "Kunden müssen Vorrang haben vor Aktionären und Arbeitnehmern, selbstverständlich auch vor Managern (S. 54): "Zuerst kommt der Kunde, denn der gibt das Geld. Nichts ist so wichtig wie diese Erkenntnis. Dann kommen die Mitarbeiter, die Werker in der Fabrik genauso wie die Ingenieure, Entwickler und Manager, damit überhaupt ein Produkt entsteht, für das die Kunden ihr Geld ausgeben wollen. An dritter Stelle kommen die Partner, also die Zulieferer und Dienstleister. Erst wenn diese drei Ebenen funktionieren, dann hat auch der Aktionär was davon" (S. 85).

Es geht darum, bei den Kunden Vertrauen in das Produkt oder die Dienstleistung zu schaffen: "Langfristigkeit, Einzigartigkeit und Glaubwürdigkeit - das sind die wichtigsten Zutaten für den Baustoff, mit dem ein dauerhaft tragwürdiges Fundament für starke und erfolgreiche Marken geschaffen wird. .. Auf Marken können sich die Kunden - zumindest im Idealfall - verlassen. Sie stehen für Solidität, Berechenbarkeit und Beständigkeit, also für Werte, nach denen sich die Menschen in einer Welt sehnen, die sich immer schneller dreht" (S. 86/87):

Den Personalkostensenkern hält Wiedeking entgegen: "Warum steht nicht am Anfang die Frage, mit welchen Ideen neue Märkte erobert werden können, um mehr Menschen zu beschäftigen? Oder zumindest keine zu entlassen?" (S. 94). Nicht mit Kostensenkung, nur mit neuen Produkten, neuen Märkten, letztendlich also mit dem know how von Menschen, vermehrt sich das Geld weiter (S. 95).

Verständnis für das Skandalwort des Jahres: "Ist es so abwegig, dass der Begriff Heuschrecken so lebhaften Widerhall in der Bevölkerung findet, wenn große Unternehmen in einem Atemzug verkünden, dass sie Milliarden verdienen und gleichzeitig tausende von Arbeitsplätzen streichen wollen? Es kann auch nicht angehen, dass das Filetieren von Betrieben Schule macht. Hinter vielen feindlichen Übernahmen, insbesondere von so genannten Finanzinvestoren, steht doch nur der Drang, mit wenig Aufwand schnell das Tafelsilber eines Unternehmens zu plündern und den Rest dann wegzuwerfen" (S. 105).

Uns besonders gefallen hat das klare Plädoyer für die Achtung vor der Arbeit: "Arbeit ist die entscheidende Existenzgrundlage, an ihrem Wert bemisst sich die Stellung der Menschen in unserer heutigen Gesellschaft. Sie vor allem stiftet Identität und Lebenssinn. Wer den Wert der Arbeit nicht achtet und als Manager in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt, zerstört das Fundament der Gesellschaft. Die Identität brauchen wir als Individuum und als Gesellschaft" (S. 108).

Vieles Beachtenswertes mehr findet sich auf den 230 Seiten dieses Buches: Eine punktscharfe Kritik unserer politischen Verhältnisse in den Zeiten der Großen Koalition, in der für viele Politiker und viele Unternehmensführer die operative Feigheit die hervorstechendste "Tugend" geworden zu sein scheint. Spannend wie ein Krimi liest sich das Kapitel über Wiedekings Krisenmanagement bei Porsche selber, wie er es geschafft hat, den Edelkarossenbauer aus der Überlebenskrise Anfang der Neunziger Jahre zu einem hochprofitablen Autohersteller zu machen, nicht mit den von den von den Consultants heute vorgebeteten üblichen Methoden. Lesen Sie selbst!

Karl Schmitz