SAP - Die wichtigsten Kritikpunkte aus Anwendersicht
Die Entscheidung für eine neue Systemarchitektur ist eine Entscheidung, die mindestens für ein Jahrzehnt gelten wird. Die folgenden Punkte sollten dabei eine kritische Betrachtung finden:
Die Vorteile
- SAP ist das funktional mächstigste integrierte Softwaresystem, das heute auf dem Markt ist.
- Die Leistungsfähigkeit von SAP wird überwiegend für das Rechnungswesen als gut, für Lager- und Materialwirtschaft als durchaus solide und für die Produktion als sehr lückenhaft beurteilt.
- R/3 war das erste integrierte Softwaresystem, dessen Front-end-Anwendungen unter Microsoft WINDOWS liefen (1992).
Die Nachteile
- Dieser Vorteil hat allerdings seinen Preis:SAP R/3 ist eine veraltete Technik. Die Systemarchitektur besteht aus Clients mit zentral mächtigen Serverfunktionen (Datenhaltung und Applikationslogik); das Konzept stammt noch aus den Achtziger Jahren. Von fortgeschritteneren Datenbank-Leistungsmerkmalen (wie z.B. verteiltes Datenmanagement) macht SAP R/3 keinen Gebrauch.
- R/3 ist kein Neuentwurf, sondern nur eine Portierung oder Migration des alten Großrechnersystems R/2 auf eine neuere Hardware-Plattform (UNIX- oder Windows-NT-Server mit PCs als Arbeitsstationen). Diese Konstruktionsfehler sind nicht korrigierbar.
- SAP R/3 ist ein proprietäres System, d.h. in hohem Maße herstellerspezifisch. Es verwendet eine eigene, außerhalb des Systems nicht benutzbare Programmiersprache (ABAP IV). Dadurch entsteht eine hohe Abhängigkeit des Anwender-Unternehmens vom Hersteller, das seine eigenen IuK-Kapazitäten großenteils auf SAP fixieren muß.
- Die Programmierung ist - trotz sich objektorientiert gebender Beschreibung - klassisch prozedural, während neuere Systeme Objekttechniken verwenden. Prozedurale Systeme orientieren sich an den Funktionen, weniger an den Datenstrukturen und Objekten eines Arbeitssystems. Während Datenstrukturen und Objekte relativ konstant bleiben, unterliegen mit den immer schneller wechselnden Anforderungen des Marktes und/oder des Betriebes die Funktionen, d.h. die Art und Weise der Bearbeitung von Vorgängen, starken Änderungen. Daher ziehen funktionale Softwaresysteme einen hohen Änderungsaufwand nach sich.
- SAP ist bezüglich Änderungen und Erweiterungen zu unflexibel. Zu vieles muss bei der Ersteinrichtung festgelegt werden. Spätere Veränderungen erfordern ein im Vergleich zu anderer Software hohen Aufwand. Dadurch sind kontinuierliche Verbesserungsprozesse erschwert. Praktisch wird der Betrieb an die Software angepasst, nicht umgekehrt. Zwei US-amerikanische Entsorgungsunternehmen, Allied Waste Industry Inc. und Wast Management Inc. trennen sich laut Computerwoche 24/99 vom 18. Juni 1999 (S.16) von ihren bisher 130 und 45 von projektierten 250 Mio Dollar teuren SAP-R/3-Projekten mit der Begündung, die Produkte der SAP seien zu teuer, zu starr und würden die Unternehmen zwingen, ihre Geschäftsprozesse der Software anzupassen.
- Das System ist zu komplex. In der Regel kann der Anwender nur 10 bis 50 Prozent des SAP-Leistungsumfangs nutzen. Es besteht die Gefahr zu aufwendigen Softwarelösungen, die in der täglichen Nutzung zu teuer sind.
- Die Benutzerfreundlichkeit weist große Mängel auf. Der äußere Erscheinungsrahmen entspricht zwar der Microsoft-WINDOWS-Oberfläche, aber das System hat zu wenig "innere Dramaturgie", von der man sich intuitiv leiten lassen kann. Die Dialogführung durch viele Bildschirmbilder ist oft beschwerlich.
- SAP ist viel zu teuer. Man rechnet mit 30.000 bis 80.000 DM pro Benutzer an Einführungskosten insgesamt (Quelle: Taugt SAP R/3 auch für den Mittelstand? in Computerwoche 34/97, S. 14). Die Implementierung dauert im Vergleich zu anderen Systemen zu lange und bedarf der Hilfe von Consultants, deren Arbeitsweise und Qualifikationen oft viele Wünsche offen lassen. Der Schulungsaufwand ist sehr hoch. Der laufende Änderungsaufwand (Releases) beschäftigt das Unternehmen in äußerst starkem Maße. Die Produktivität leidet unter dem hohen Funktionsumfang (hohe user costs).