Dies ist der Entwurf für eine Vereinbarung für ein Call-Center eines mittelständischen Zeitschriftenverlages. Das Unternehmen verfolgt eine interessante Strategie bei der Kundenbetreuung: Normalfall ist, dass sich die Kunden mit einer Servicenummer beim Call Center melden und dann über ein Warteschlangenmodell an einen der freien CallCenter-Mitarbeiter vermittelt werden. Zusätzlich wird die beraterbezogene Betreuung des bisherigen Kundenstamms ermöglicht, da die Mitarbeiter auch direkt angerufen werden können. In dem hier dokumentierten Fall verzichtet das Unternehmen auf den Einsatz eines CTI-Systems, (vermutlich weil keine geeignete Software zur Verfügung steht).
Vereinbarung zum Einsatz einer ACD-Anlage
im Call Center des [ Unternehmens ]
ACD: "Automatic Call Distribution" = "automatische Anrufverteilung". Ein ACD-System nimmt Anrufe entgegen und verteilt sie auf die Agentenplätze. Die Verteilung erfolgt nach einprogrammierten Regeln.
1. Gegenstand und Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung regelt den Einsatz einer automatischen Anrufverteilung im Call Center. Sie gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Anlage arbeiten.
2. Zielsetzung der Vereinbarung
Vor dem Hintergrund steigender Serviceerwartungen der Kunden ist die Entwicklung der Kundenbeziehungen für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Mit dem Einsatz des ACD-Systems im Zentralen Kundenservice schafft das Unternehmen die technischen Grundlagen, um eine qualitativ hochwertige Kundenbetreuung sicherzustellen, die Kundenbindung kontinuierlich zu verbessern sowie die bestehende Marktposition zu festigen und auszubauen.
Voraussetzung zum Erreichen dieser Ziele sind motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb sollen Rahmenbedingungen definiert werden, die abwechslungsreiche Tätigkeiten ermöglichen, den langfristigen physischen und psychischen Gesundheitserhalt fördern und die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen.
3. Technische Dokumentation
Es wird das System [Name der Software] eingesetzt.
Die über die Computer-Telephony-Integration-Schnittstelle (CTI) angebotene Möglichkeit, die Telekommunikationsanlage direkt mit den Sachbearbeitungs- oder sonstigen computerunterstützten Anwendungssystemen zu verbinden, wird mit Ausnahme der Software [Name der Software] zur Anzeige des Zustands der ACD-Anlage auf den einzelnen Arbeitsplatzrechnern zur Zeit nicht genutzt. Ein systemseitiges Routing (Verteilung der Anrufe auf bestimmte Lines oder Arbeitsplätze) wird zur Zeit ebenfalls nicht genutzt, sondern erfolgt über gesonderte Anwahlnummern für die verschiedenen Services, die den Kunden bekannt gemacht werden.
Der Leistungsumfang der zur Steuerung der ACD-Anlage eingesetzten Software ist in Anlage 1 stichwortartig beschrieben.
Anlage 1 wird auf dem aktuellen Stand gehalten.
CTI ("Computer Telefon Integration")ermöglicht die automatische Verbindung von Telefondaten mit weiteren Daten. Eine typische Anwendung funktioniert so: Das System erkennt die Rufnummer des Anrufers und identifiziert den Kunden durch Abgleich mit einer Kundendatei. Nach einprogrammierten Regeln vermittelt das System das Gespräch an einen freien Agenten. Sobald dieser das Gespäch entgegennimmt, zeigt das System automatisch die Kundendaten auf dem Bildschirm des Call-Center-Agenten an.
Die CTI-Technologie wird im Unternehmen nicht angewendet: Eine zuverlässige Kundenidentifikation wäre kaum zu realisieren, da viele Kunden des Unternehmens mehrere Telefonapparate nutzen (privat, dienstlich, mobil).
Daten aus dem ACD-System dürfen nur zur Anzeige des aktuellen Zustandes im Call Center genutzt werden.
4. Grundsätze für die Gestaltung des Arbeitssystems im Call Center
Im Call Center erfolgt eine ganzheitliche Bearbeitung aller Anliegen und Anforderungen der Kunden. Die Back Office- und Front Office-Tätigkeiten werden nicht arbeitsteilig getrennt.
Alle im Call Center tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich selber an der ACD-Anlage an- und abzumelden, sich auf Nachbearbeitung oder Pause ein- und auszubuchen oder Aufgaben außerhalb der telefonischen Bearbeitung zu übernehmen. Mit wachsender Bedeutung des Internet werden auch über dieses Medium abgewickelte Aufträge oder Anfragen in die Tätigkeiten des Call Centers integriert.
Für die Tagesarbeit gilt der Grundsatz, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eigener Verantwortung anhand der anliegenden Aufgaben über die Art der Bearbeitung entscheiden. Davon unberührt bleibt das Recht der Supervision, in Spitzenzeiten in die Aufgabenverteilung einzugreifen.
Die Art der Bearbeitung teilen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem System durch Betätigung entsprechender Tasten mit. Dabei werden die folgenden Bearbeitungszustände unterschieden:
Darüber hinaus erfolgen keine zusätzlichen Eingaben in das System (wie z.B. die Angabe eines Pausengrundes).
Nach dem Ende eines Gespräches bzw. dem Ende der Nachbearbeitungszeit wird vom System automatisch eine 10 Sekunden lange Pufferzeit eingeräumt; während dieser Zeitspanne werden der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter keine neuen Gespräche zugeteilt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen an ihrem Arbeitsplatz über einen zweiten Telefonanschluss, über den sie direkt erreichbar sind und parallel zur ACD-Anlage telefonieren können. Dies dient vor allem dazu, die Möglichkeit direkter Beziehungen zwischen einem Kunden und einer bestimmten Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter zu erhalten.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entsprechend ihrer Qualifikation verschiedenen Servicediensten zugeordnet, die eigene Telefonnummern aufweisen. Die Servicedienste sind in Anlage 2 dokumentiert. Dabei wird angestrebt, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Services beherrschen und folglich allen Servicenummern zugeordnet werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordnen sich beim Anmelden selber den ihrer Qualifikation entsprechenden Servicenummern zu. Die Supervision kann in Engpasssituationen in diese Zuordnung eingreifen, um dadurch gezielt Anrufströme auf eine ausreichende Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verteilen.
Sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter mit ihrer Zuordnung zu Servicenummern oder der Zuteilung von Prioritäten für die einzelnen Servicenummern nicht einverstanden, so wird mit dem Betriebsrat über die Angelegenheit beraten.
Es wurde Wert darauf gelegt, daß die Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Arbeit selbstbestimmt steuern können. Die Anmeldung erfolgt nicht durch das System oder einen Supervisor sondern durch die Mitarbeiter selbst. Je nach Qualifikation melden sie sich für verschiedene Service-Lines an (Anzeigenaufnahme, Reklamationsbearbeitung, ...). Vorgesehen ist ein möglichst abwechslungsreiches Arbeiten im Front- und Back-Office. Zukünftig sollen auch elektronischer Anfragen (e-Mail, Internet) bearbeitet werden.
Nur in Engpasssituationen dürfen Supervisoren in die Zuordnung zu den Servicenummern eingreifen.
5. Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Call Centers
Der Verlag stellt sowohl die fachliche als auch die auf das Telefonverhalten bezogene Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher. Zu diesem Zweck bietet der Verlag den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßige Schulungen an. Es wird ein Qualifikationsplan entwickelt, um eine konzeptionell sinnvolle Reihenfolge der Schulungseinheiten zu gewährleisten. Er enthält u.a. die Ziele von Basisschulungen, Produktschulungen und Gesprächstrainingseinheiten (Coaching).
Die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt während der Arbeitszeit. Der Betriebsrat wird vor entsprechenden Maßnahmen informiert.
Solange es keine anerkannten Zertifikate für den Beruf Call-Center-Agent gibt, haben die Call-Center-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Anrecht auf eine ausführliche Dokumentierung ihrer Tätigkeiten sowie Schulungen.
Um eine vielseitige Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzubauen, sind aufeinander abgestimmte Qualifizierungsmaßnahmen erforderlich. Im Entwurf wurde berücksichtigt, daß viele Call- Center-Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter seit vielen Jahren Telefondienste durchführen und mit den Aufgaben im Call-Center vertraut sind. Deshalb sind die Schulungen ein Angebot des Verlages an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. - Es ist nicht verpflichtend, an den Maßnahmen teilzunehmen.
6. Monitoring
Unter Monitoring im Sinne dieser Vereinbarung wird das Beobachten des Telefongeschehens in der Anlage während des laufenden Betriebs bzw. während sehr kurzer Zeitabschnitte verstanden. Dabei erfolgt lediglich eine temporäre Beobachtung und keine über den Zeithorizont dieser Beobachtung hinausgehende Speicherung der entsprechenden Daten, es sei denn, dies ist im Rahmen des Reporting (Ziffer 7) ausdrücklich vereinbart.
Das Monitoring dient ausschließlich der Steuerung der Anlage, insbesondere der Aufrechterhaltung einer hohen Erreichbarkeit und eines guten Servicelevels; es wird nicht zum Zweck der Überwachung von Leistung oder Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt.
In Anlage 3 sind die verschiedenen Telefonierzustände vereinbart, die von der Anlage unterschieden und im Monitoring angezeigt werden dürfen.
Anlage 3 Telefonierzustände
Auf den Supervisions-Arbeitsplatzrechnern dürfen diese Zustände pro Apparat, geordnet nach Lines (Servicenummern) angezeigt werden. Außerdem werden die Häufigkeit der eingehenden Anrufe pro Halbstundenintervall sowie der aktuelle Service-Level in einer Übersicht angezeigt. Die Einzelheiten der Anzeige ergeben sich aus Anlage 4. Zugriff auf diese Funktion haben nur die mit der Supervision der ACD-Anlage beauftragten Personen.
Die Anzeigen auf den Monitoren der für die Supervision benutzten Arbeitsplatzrechner dürfen nicht ausgedruckt oder in PC-Software (z.B. Tabellenkalkulation oder Textverarbeitung) übernommen werden.
Hier sollte geprüft werden, ob die Einhaltung dieser Vorschrift technisch sichergestellt werden kann.
Auf den einzelnen Arbeitsplatzrechnern wird der Zustand der ACD-Anlage zum jeweils aktuellen Zeitpunkt angezeigt; die Anzeige umfasst:
Alle verfügbaren Anzeigemöglichkeiten ergeben sich aus Anlage 5.
Ziffer 6 regelt sowohl die aktuelle Zustandsanzeige am Arbeitsplatz der Supervision als auch die aktuellen Zustandsanzeigen auf den Bildschirmen der Call-Center-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Letzteres erleichtert die Selbststeuerung der Arbeitsverteilung im Team: Durch den Blick auf die Anzeige erhalten die Agenten Informationen über die derzeitige Auslastung des CallCenters und können darauf reagieren, etwa Gespräche kürzer fassen oder sich auf andere Lines anmelden.
7. Reporting
Unter Reporting wird das Auswerten von Daten über die Aktivitäten innerhalb der Telekommunikationsanlage über längere Zeiträume verstanden; dies setzt ein längerfristiges Speichern der entsprechenden Daten voraus.
Die Informationen dienen der optimalen Auslastung der Anlage, der Bewertung des Grades des kundenfreundlichen Betriebes sowie der langfristigen Beobachtung des Anrufsvolumens. Sie werden nicht zum Zweck der Überwachung von Leistung oder Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwendet.
Es werden nur anonyme statistische Auswertungen erstellt, die sich auf die Gesamtheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen, die einer Servicenummer zugeteilt sind. Diese Auswertungen zeigen für eine ACD-Anlage charakteristische Informationen an, wie die Zahl der angemeldeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zahl der Anrufe, Zahl der in der VoiceBox aufgelaufenen Gespräche, durchschnittliche Dauer der Gespräche, Wartezeiten der Kunden jeweils für Halbstunden-Intervalle. Berichte können auf Tagesbasis oder über längere Zeiträume erstellt werden.
Je ein Muster der erstellbaren Berichte ist in Anlage 6 vereinbart.
Es erfolgen keine weiteren Zugriffe auf ACD-Daten durch andere als in den Ziffern 6 und 7 benannten Programme.
Das Unternehmen verzichtet auf sonst übliche Auswertungen, z.B. zur Erreichbarkeit oder zum Servicelevel. Die Berichtsintervalle betragen jeweils 30 Minuten, im Callcenter arbeiten nie weniger als 10 Mitarbeiter gleichzeitig, die Zuordnung der Mitarbeiter zu den Servicenummern wird nicht erfaßt und protokolliert. Damit ist ein (nachträgliches) Herunterbrechen der Auswertungen auf die Mitarbeiterebene nicht möglich und der Überwachungsdruck gering.
8. Änderungen und Erweiterungen
Der Betriebsrat wird über alle wesentlichen Änderungen und Erweiterungen des Systems informiert. Auf Wunsch findet eine Beratung statt.
Folgende Änderungen bzw. Erweiterungen bedürfen einer diese Vereinbarung ergänzenden Regelung:
Macht der Betriebsrat bei anderen, hier nicht genannten wesentlichen Änderungen oder Erweiterungen geltend, dass die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berührt werden oder der Erhalt der psychischen bzw. physischen Gesundheit gefährdet ist, so kann er ebenfalls eine diese Vereinbarung ergänzende Regelung verlangen, über die Einvernehmen zu erzielen ist.
Veränderungen der Anlagen
bedürfen des gegenseitigen Einvernehmens.
Kommt das Einvernehmen in den durch diese Vereinbarung vorgesehenen Fällen nicht zustande, so entscheidet eine gemäß § 76 Ziffer 5 zu bildende Einigungsstelle.
9. Beweisverwertungsverbot
Informationen, die unter Verletzung von Bestimmungen dieser Vereinbarung gewonnen wurden, sind als Beweismittel zur Begründung personeller Maßnahmen unzulässig.
10. Schlussbestimmungen
Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und kann mit einer Frist von ...., frühestens zum .... gekündigt werden. Im Falle einer Kündigung wirkt sie nach bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung.