Stand Mai 2000
Das eigene Aktiendepot pflegen, e-Mails an Freunde schreiben, bis zum Feierabend chatten und zwischendurch noch ein paar Moorhühner erlegen - das alles löst den - verständlichen - Wunsch der Arbeitgeber aus, den Beschäftigten doch mal genauer auf die Finger bzw. hinter ihre Bildschirm-Kulissen zu schauen. Doch die digitale Überwachung hat ihre Grenzen, wie das Landgericht Braunschweig in einem Urteil vom 18.3.1998 (AZ 12 S 23/97) festgestellt hat. Demnach darf der Arbeitgeber nicht ausspionieren, welche Web-Seiten die Mitarbeiter aufrufen, es sei denn, im Kleingedruckten des Arbeitsvertrags ist dies vereinbart oder der Betriebsrat hat einer entsprechenden Regelung zugestimmt. Auch der E-Mail-Inhalt ist im Prinzip für den Arbeitgeber tabu - es sei denn, im Betrieb gilt die klare Ansage, dass eine private Mail-Nutzung ausdrücklich verboten ist - dann dürfen dei Chefs mitlesen.
Die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen der Online-Benutzung durch Arbeitgeber ist im deutschen Recht an enge Vorgaben gebunden. Das aus dem Grundgesetz abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht wird durch Schutzvorschriften in Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) konkretisiert. Seit 1996 müssen außerdem die Normen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) berücksichtigt werden.
Ein Betriebsrat besitzt nach § 87 (1) Nr. 6 BetrVG bei der Überwachung von Internet/e-Mail weitreichende Mitbestimmungsrechte. Wenn es im Betrieb also einen Betriebsrat gibt, kann er ggü. dem Arbeitgeber auf einer Betriebsvereinbarung bestehen und so willkürliche Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers verhindern.
Aber auch, wenn es keinen Betriebsrat gibt, besitzt der Arbeitgeber keinen Freibrief zur Überwachung. Zum einen gibt es im Juristendeutsch die Betriebliche Übung. Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von e-Mail-Systemen über einen längeren Zeitraum geduldet hat, erwächst daraus für die Beschäftigten nach einiger Zeit ein Recht zur privaten Nutzung.
Außerdem gibt es das relativ neue Telekommunikationsgesetz (TKG). Es wird immer dann angewandt, wenn Unternehmen nachhaltig Telekommunikationsdienste, dazu gehören Internet und e-Mail, für Dritte erbringen.
Dritte sind nach dem TKG auch Beschäftigte, denen die private Nutzung der Kommunikationsanlagen durch den Arbeitgeber gestattet worden ist. Sie sind dann nicht mehr Dritte, wenn sie die Kommunikationsanlagen ausschließlich für dienstliche Belange nutzen. Immer dann, wenn der Arbeitgeber erkennen muß, daß die Nutzung des Kommunikationssystems privat erfolgt, greift also das TKG. (vgl. Gola, RDV 1998, S. 248 f. u. Schierbaum/ Kieper, COMPUTER 8-9/1999, S. 26)
Schwieriger ist die Frage, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn für den Arbeitgeber private und dienstliche Kommunikation äußerlich nicht unterscheidbar ist, weil z.B. für jeden Beschäftigten nur jeweils ein e-Mail-Account eingerichtet ist. Das Bundesverfassungsgericht stellte am 19.12.1991 (DB 1992, S. 786; BB 1992, S. 708) fest, daß das Abhören und Aufzeichnen von Telefongesprächen gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt. Entsprechend ist auch bei e-Mail von einem weitreichenden Schutz auszugehen, das TKG muß beachtet werden. (vgl. Schierbaum/ Kiper, COMPUTER 8-9/1999, S. 26) Wir sind derselben Ansicht, ebenso Bizer, über dessen Argumentation wir ein Onlinedokument in unser Internet-Angebot eingestellt haben. In dieser Frage gehen die Meinungen der Gelehrten allerdings auseinander. (z.B. anderer Ansicht Gola, RDV 1998, S. 248 f.
Falls das TKG zur Anwendung kommt, muß das Unternehmen das in § 85 TKG festgehaltene Fernmeldegeheimnis beachten. Das hat u.a. zur Konsequenz, dass e-Mails nicht von anderen Personen (Vorgesetzten) gelesen werden dürfen. (Protokollierungen sind dann nur zweckbezogen zur Kostenermittlung möglich.)
Text: Schnüffelpraxis in deutschen Büros