Anti-Terror-K(r)ampf und Vorratsspeicherung

Seit Anfang des Jahres 2008 werden wir beim Telefonieren staatlich überwacht.

UPDATE:

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsspeicherung im März 2008 zumindest teilweise gestoppt. Mehr Infos dazu finden Sie hier.

Horst Köhler hat das umstrittene Gesetz zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten unterschrieben. Den Staat interessiert es, wann wir telefonieren, mit wem wir telefonieren, wie lange wir telefonieren, wo wir telefonieren... Weil wir Terroristen sind! - Nein, weil wir Terroristen sein könnten. Und weil Herr Schäuble und seine Amtskollegen aus den Bundesländern offenbar der Auffassung sind, dass die gejagten Terroristen, die hochtechnische Attentate planen und die man öffentlich verdächtigt, mit Atommaterial zu hantieren, nicht auf die Idee kommen, abhörsichere Kommunikationswege zu benutzen.

Welche Folgen haben die neuen Überwachungsgesetze für die Arbeit von Betriebs- und Personalräten?

Kurz gesagt: Keine!

Zunächst mal ist strittig, ob Unternehmen überhaupt als Provider im Sinne der Gesetze einzustufen sind. Die rechtliche Lage ist knifflig. Wir stehen mit guten Gründen auf dem Standpunkt, dass sie in der Regel nicht als Provider im Rechtssinne auftreten. Die Situation ist allerdings zugegebenermaßen juristisch noch nicht ausgefochten. Näheres dazu können Sie in einem unserer Arbeitspapiere nachlesen.

In jedem Fall scheidet eine Verpflichtung der Unternehmen zur Vorratsspeicherung aber deshalb aus, weil der entsprechende neue Paragraf § 113a TKG voraussetzt, dass Telekommunikationsdienste "öffentlich" zugänglich sein müssen. Das ist bei Unternehmen nicht der Fall. Und deshalb kann keine Pflicht zur Vorratsspeicherung bestehen.

Nebenbei wirft die Regierung den Rechtsgrundsatz über Bord, dass Daten nicht auf ungefähren Verdacht hin gespeichert werden dürfen, sondern nur in hinreichend konkreten Gefahrensituationen. Da hilft dann auch der Hinweis aus den Bundesministerien wenig, dass die Informationen „natürlich“ nur im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes eingesetzt werden sollen. Sind die Daten erst mal da, entstehen im Laufe der Zeit neue Begehrlichkeiten, siehe Autobahnmaut: Vor deren Einführung wurde heftig abgestritten, dass man Mautdaten zu anderen Zwecken als zur Mauterhebung verwenden wollte. Mittlerweile werden an den Autobahnen Datenabgleiche geplant, um Straftaten aufzudecken. Und schon wird diskutiert, ob man nicht auch säumigen Steuersündern auf die Schliche kommen könnte.

Seit Beginn des Jahres werden also unsere Telefonverbindungsdaten für sechs Monate von den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Internetprovider haben noch eine Schonfrist von einem Jahr. Ab 2009 gilt dann auch beim Abschicken von e-Mails und beim Surfen im Internet: Vater Staat schaut zu:

Wer hat wann an welchen Empfänger eine e-Mail abgeschickt (Betreff und Nachrichtentext werden nicht aufgezeichnet)? - Also vorsichtig sein, wenn man einem Freund oder einer Freundin in Ägypten eine eMail schickt, ist bestimmt nicht mehr im grünen Bereich.

Außerdem interessant für unsere obersten Terrorbekämpfer: Wer ist wann im Internet gewesen? Festgehalten werden sollen die IP-Adresse des Surfers und Zeitspanne des Aufenthalts im Internet... Merken Sie was? - Genau: Auf welchen Webseiten wir Schmalspur-Terroristen uns herumtreiben, soll laut Gesetz gar nicht erfasst werden. Schön für uns. Nur wie man mit dem übrig bleibendem Datensalat auch nur im Ansatz Terrorfahndung betreiben will, ist für uns ein großkoalitionäres Rätsel.

Für die ganz schlimmen Finger hat sich der Bundesinnenminister den Bundestrojaner ausgedacht. Der soll von Experten auf den Rechnern der Terrorverdächtigen eingeschleust werden. Die Terrordaten sollen dann automatisch zu den Bundesbehörden oder wem auch immer gesendet werden. - Hoffen wir, dass die Terroristen kein Virenschutzprogramm installiert haben.

Die Kritik an den neuen Überwachungsgesetzen ist vielfältig und reicht von Bürgerrechtlern über Kirchen bis hin zu Unternehmensverbänden.

Wir befinden uns mit unserem Fazit daher in breiter Gesellschaft:

Dirk Hammann, tse GmbH