Management vor über 60 Jahren

Beispiel aus dem Jahre 1939 von der Brown Boveri & Cie in Baden (Schweiz). Ähnlichkeiten zu Themen wie

  • Customer Focus
  • Unternehmensleitsätze
  • Corporate Identity

sind augenfällig. Managementmethoden und Moden - sie kommen und gehen und werden wieder ausgegraben, kaum daß sie für vergessen gehalten....

 

Aktiengesellschaft

BROWN, BOVERI & CIE

BADEN (Schweiz)

Baden, den 31. August 1939.

Mitteilung A

Nr. 812


Betr.: Richtlinien zur Behebung von Mängeln und Reibungen im Betriebe und zur Umsatzsteigerung, namenlich auf dem Gebiete der Normalprodukte.


Auf Grund eingehender Untersuchungen haben die Delegation und die Direktion eine Reihe von Beschlüssen formuliert, die bereits allen Abteilungsvorständen und von diesen ihrem untergebenen Personal bekanntgegeben worden sind. Diese Richtlinien sollen nun noch in kondensierter Form festgehalten werden. Wir müssen alle ersuchen, sich dieselben zu eigen zu machen und dafür zu sorgen, dass sie in jeder Abteilung lebendig erhalten bleiben.



  1. Erste Forderung: Dienst am Kunden.

    Die Erledigung von technischen Fehlern und Mängeln wird vielfach auf umständliche, schwerfällige und oft kleinliche Art vollzogen. Auch wenn es gelegentlich gelingt, den Kunden ins Unrecht zu setzen, so bedeutet dies meist keinen Erfolg für die Firma, weil eine Verärgerung zurückbleibt und der Kunde sich dafür in irgendeiner Art revanchieren wird. Der Kunde soll nur behaftet werden, wenn eindeutig feststeht, dass er den ganzen Fehler verursacht hat, aber auch dann nur, wenn nicht höhere Interessen des Konzerns gefährdet werden.



  2. Kollaboration .

    Trotzdem zur Verbesserung der Zusammenarbeit Anstrengungen gemacht und gewisse Erfolge erzielt worden sind, bleibt noch vieles zu tun. Es sind noch nicht alle wasserdichten Trennwände zwischen den Abeilungen gefallen, und es gibt immer noch Verhältnisse, wo die Person der Beteiligten vor die Sache gestellt wird. Hier muss noch mehr getan werden; die Erfahrung hat gezeigt, dass persönliche Disharmonien fast immer durch eine direkte und offene Aussprache behoben werden können, vorausgesetzt, dass sich beide Teile in dem einen Punkte einig sind, dass das höchste Interesse, vor dem alles zurücktreten muss, das Wohlergehen des Konzerns ist.

    Es wird hiermit ein erneuter dringender Appell in diesem Sinne an alle Mitarbeiter gerichtet.



  3. Die "Heiligkeit der Termine" .

    Nichts schadet unserem Verkehr mit den Kunden mehr als die Nichteinhaltung versprochener Termine, und keine Auslagen sind so ärgerlich wie Verspätungspönale, die wir tragen müssen. Nichts kann auch unseren Bestellungseingang so beeinträchtigen wie verspätete Lieferungen. Alle müssen mithelfen, dass hier radikale Besserung eintritt.

    Die für eine Bestellung festgesetzten Termine müssen die gleiche Beachtung und Nachachtung finden wie die Zahlen des Geldbudgets, denn Termine sind Zeit , und Zeit ist Geld. Die Arbeiten der ersten Wochen des für eine Bestellung fixierten Zeitplanes dürfen nicht weniger ernst genommen werden als die für die letzten Wochen vorgesehenen.

    Der Begriff des Termines muss überall durchdringen, und jeder soll sich für jede ihm übertragene Arbeit grundsätzlich selbst einen Termin setzen und denselben einhalten.



  4. Grosszügigkeit im Verkehr mit Vertretern beim Behandeln von Anständen über Detailfragen.

    Jeder Brief kostet Zeit und Geld. Wenn er wegen unwesentlicher Detailfragen geschrieben wird, verursacht er obendreit Aerger und Verzögerungen und wirkt sich nachteilig auf die Schaffensfreudigkeit unserer Organe und damit auch auf den Bestellungseingang aus. Vermeiden von aller Kleinlichkeit und kulante und rasche Erledigung solcher Anstände liegt deshalb im Interesse des Konzerns.



  5. Prompter Versand von Normalprodukten.

    Da feststeht, dass eine Unternehmung wie die unsere umso krisenfester ist, je mehr ihr Verkauf auf Normalprodukten fusst, und umso krisenempfindlicher, je mehr sie sich mit Spezialitäten abgibt, muss den Normalprodukten viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als bisher. Der Verkauf von Normalprodukten bedingt aber in erster Linie prompte Bedienung der Kunden, also: kurze Lieferzeiten und raschester Versand.



  6. Weniger schreiben im internen Verkehr.

    Eine schriftliche Festhaltung von intern und mündlich abgeklärten Fragen soll nur dann geschehen, wenn es unbedingt nötig ist und es sich um präzise und bindende Verpflichtungen einer Abteilung einer andern gegenüber handelt.



  7. Kein Streit über die Verbuchung von internen Unkosten.

    Kleinliche Diskussionen darüber, welchem Konto Auslagen für Fehler und Mängel zu belasten sind, kosten oft mehr Zeit und Geld als die Fehler selbst und müssen endgültig verschwinden.



  8. Sachlichkeit in der Korrespondenz.

    Ein ungeschickter oder taktloser Brief kann uns einen Kunden und Bestellungen kosten, und unsere Vertreter, auch wenn sie tatsächlich Fehler begangen haben, werden oft durch den Ton unserer Briefe verbittert und in ihrer Schaffenslust gehemmt. Noch viel mehr geschieht dies, wenn Vorwürfe ungerecht sind oder gar, wenn der Fehler bei uns selbst liegt. Denken wir daran, dass unsere Vertreter in der vordersten Kampffront stehen und von der hintern Linie unterstützt und ermutigt werden müssen. Bei jedem Brief, den man diktiert, versetze man sich in die Rolle des Empfängers und frage sich, was die Wirkung auf diesen sein wird.



  9. Prompte Benatwortung von Anfragen.

    Jede Kundenanfrage verlangt eine sofortige Antwort, sei es auch nur in Form einer Bestätigung, dass man die Ausarbeitung einer Offerte unternimmt. Es darf nicht mehr vorkommen, dass ein Kunde nach vielwöchigem Schweigen unsererseits bei der Konkurrenz bestellt, weil er oder der Vertreter meint, die Anfrage interessiere uns nicht und nicht weiss, dass man bei uns die ganze Zeit an der Offerte fleissig, aber leider vollkommen nutzlos, gearbeitet hat.



  10. Respektierung des Prestiges unserer Vertreter.

    Das Ansehen eines Vertreters in seinem Gebiet muss von uns gestützt werden, und wir dürfen nichts zulassen, was dasselbe irgendwie beeinträchtigen könnte.

    So darf er nie in Unwissenheit gelassen werden über Anfragen, Offerten, Besprechungen und Abmachungen betreffend Anlagen, für welche er zuständig wäre, deren Verfolgung aber aus bestimmten Gründen durch uns oder durch ausserhalb des Vertretungsgebietes domizilierte Organe erfolgt. Es ist unsere Pflicht, ihn in allen solchen Fällen umgehend zu orientieren.



  11. Fehlen von Betriebsvorschriften.

    Unsere Vertreter klagen vielfach, dass sie Maschinen und Apparate ohne oder mit falschen und ungenügenden Betriebsvorschriften erhalten. Auch hier liegt eine Quelle der Verärgerung der Kunden, die verschwinden muss.



  12. Fehler liegen meistens nicht bei andern.

    Die jedem Menschen angeborene Tendenz, den Fehler zuerst bei anderen zu suchen, hat im Geschäftsleben keinen Platz. Man suche den Fehler zuerst bei sich selbst; wenn man ihn findet, mache man ihn gut und tröste sich mit dem Gedanken, dass nur der keine Fehler macht, der nichts leistet.

 

Aktiengesellschaft

BROWN, BOVERI & CIE

gez.: Schiesser. L. Bodmer.