Neue Wege für die Rettung maroder Unternehmen

Novel-Konzept hilft bei der Finanzierung von Employee-Buyouts / Arbeitnehmer beteiligen statt entlassen

Dag. FRANKFURT. Die Restrukturierung maroder Unternehmen erfolgt meist unter einem hohen Zeitdruck, der die Suche nach optimalen Lösungen beeinflußt. Neben den rechtlichen Vorgaben sind es in erster Linie langwierige Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Interessensgruppen im Betrieb, welche die Restrukturierung des Unternehmens erschwert. Bei gegebenem Zeitdruck liegt es also nahe, die Mitarbeiter in den Restrukturierungsprozeß einzubinden. Schon vor geraumer Zeit wurde deshalb die Idee des Employee-Buyouts geboren. Doch meist scheitert die schnelle Umsetzung des Eigentumswechsels an der finanziellen Hürde. An diesem Punkt setzt das Novel-Konzept an, das die Sozietät Boosebeck Droste während der Konferenz Krisenmanagement und Reorganisation von Unternehmen, die von der Anwaltsvereinigung Aija und dem Deutschen Antwaltverein durchgeführt wurde, vorstellte.

Die Finanzierungsfrage kann zunächst einfach gelöst werden: Fonds, die sonst im Rahmen des notwendigen Sozialplans verwendet werden müssen, sollten demnach zunächst umgewidmet werden. Der so teilfinanzierte Kauf des Unternehmens durch die Mitarbeiter läßt einerseits eine hohe Bereitschaft auch zu schmerzhaften Reformen erwarten, andererseits kommen die Mittel aus dem Betrieb und von den neuen Eigentümern. Sollte sich das Unternehmen nach der Restrukturierung dennoch nicht als lebensfähig erweisen, wären zumindest keine neuen Mittel gebunden. Unklar ist derzeit, ob und gegebenenfalls wie hoch die so entstandenen Eigentumstitel besteuert werden.

Ein erfolgreiches Beispiel für die Anwendung dieses Konzepts ist die Herauslösung des später Ditec AG genannten Geschäftsbereichs bei der Restrukturierung des Mutterkonzerns, eines großen internationalen Computerunternehmens. Statt etwa ein Viertel der rund 6000 Mitarbeiter zu entlassen, wurden die Mittel des Sozialplans in Höhe von insgesamt 150 Millionen DM dem neuen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Dies mußte schnell geschehen, da diese Mittel noch im alten Geschäftsjahr abgeschrieben werden sollten, so daß auch für den Mutterkonzern ein unbelasteter Neubeginn möglich war. Hier zeigt sich die unter zeitlichen Aspekten hohe Überlegenheit des Ansatzes gegenüber dem Abwickeln eines Sozialplans, was in der Regel bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen kann. Vor dem Hintergrund notwendiger Diskussionen um einen Interessenausgleich wären die Mitarbeiter bis zu zwei weitere Jahre Gehaltsempfänger.

Die so geschaffene relativ starke Position der Arbeitnehmerschaft, gepaart mit der Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust, hat schließlich zu einem schnellen Verhandlungsergebnis geführt. Zunächst, so wurde vereinbart, werden die betroffenen Mitarbeiter des Konzerns der später Ditec genannten Tochter überstellt. Das neue Unternehmen Ditec wird daraufhin mit 150 Millionen DM frischem Kapital ausgestattet und erfährt keine Einschränkungen bezüglich seiner Wirtschaftstätigkeit und der Nutzung seiner Ressourcen. Das Management wird anfangs von je einem Vertreter der Mitarbeiter und des Mutterkonzerns gebildet. Während einer zwölfmonatigen Übergangsphase verpflichtet sich der Konzern, Arbeitsaufträge im Wert von etwa 60 Millionen DM an Ditec zu vergeben, danach entfällt diese Verpflichtung. Bis zur endgültigen Sicherstellung der Überlebensfähigkeit des neuen Unternehmens werden die Aktien zwei Treuhändern übertragen. Erst nach dieser auf 12 bis 18 Monate angesetzten Periode werden die Aktien der Belegschaft rückübertragen.

Die rechtliche Ausgestaltung sah zunächst die Gründung der Ditec GmbH vor, die durch eine Einlage von je 25000 DM durch die beiden Treuhänder erfolgte. Nach der Aufstockung auf eine Million DM aus dem Sozialfonds wurde die Ditec GmbH in eine Aktiengesellschaft, die als Holding fungiert, umgewandelt. Diese wiederum wurde der einzige Anteilseigner der Ditec Informationstechnologie GmbH & Co KG, welche der operative Arm des neuen Konstrukts ist. Die Mitarbeiter wurden von der Mutter an dieses Unternehmen transferiert, während die Finanzmittel der Holding überschrieben wurden. Nach Ablauf der Verwaltungsphase durch die beiden Treuhänder wurden die Aktien rasch einer sich aus Alter, Betriebszugehörigkeit und Gehalt zusammengesetzten Formel unter der Belegschaft verteilt. Damit wurden die Mitarbeiter der Kommanditgesellschaft Aktionäre der Holding.

Für die Mitarbeiter, denen ursprünglich die Wahl gelassen wurde, unter Inanspruchnahme des Sozialplans das Unternehmen zu verlassen, oder sich dem neuen Plan anzuschließen, dabei aber ihre Ansprüche bezüglich Kündigungsentschädigung abzutreten, wurde ein Teil des Fonds beiseitegestellt, um eine einjährige Mindestbeschäftigung zu garantieren, auch wenn das Unternehmen letztlich scheitern sollte. Somit waren die Arbeitsplätze zumindest für eine Übergangsperiode gesichert. Inzwischen wird die Leitung der Ditec AG durch einen neunköpfigen Aufsichtsrat, gewählt von den Aktienbesitzern, bestimmt.

Blick durch die Wirtschaft, 28.7.1998

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