Vorbemerkung
Klassische Betriebsvereinbarungen haben oft statischen Charakter, sie legen Dinge fest und begründen bürokratische Verfahren. Sie sind überwiegend defensive Schutzvereinbarungen.
Vorzuziehen ist ein Prozesscharakter der anzustrebenden Regelung: Arbeitgeberseite und Betriebsräte fühlen sich - mit unterschiedlichen Aspekten - gemeinsam verantwortlich für das Gelingen des betroffenen Projekts. Dabei werden die Betriebsräte die Ziele Schutz der Persönlichkeitsrechte und Gewährleistung einer verbesserten Arbeitsqualität besonders im Auge behalten. Dies kommt in der Regel auch dem Unternehmen in Form von verbesserter Produktivität zugute.
Über den Geltungsbereich eventueller Pilotversuche hinaus sollte die anzustrebende Regelung unternehmensweit die Thematik der Call Center umfassen.
Sie sollte sich auch nicht auf nur eine der zahlreich zur Verfügung stehenden Software-Komponenten konzentrieren, sondern die gesamte Computerunterstützung des Call Center-Betriebs umfassen.
Der persönliche Geltungsbereich ergibt sich automatisch aus dem sachlichen: alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Call Center arbeiten.
Die hard- und softwaremäßige Ausstattung der Call Center kann in Form einer knapp gehaltenen Übersicht dokumentiert und auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Eine Möglichkeit bestünde darin, im unternehmensinternen Intranet (falls vorhanden) eine solche Dokumentation zu hinterlegen (in graphischer Überblicksform, mit Detaillierungsmöglichkeiten für wichtige Einzelheiten).
Die Dokumentation sollte zu erkennen geben
Den Projektverantwortlichen obläge es natürlich, die Dokumentation auf dem aktuellen Stand zu halten. Die Betriebsräte sollten ein Online-Leserecht auf die Dokumentation haben, die Dokumentation selber sollte eine größere innerbetriebliche Öffentlichkeit haben (damit alle Beteiligten in der Lage wären, den Projektfortschritt zu beobachten).
Betreibt ein Unternehmen mehrere Call Center, so ist auch zu klären, ob die einzelnen Call Center eine stand-alone-Struktur haben oder untereinander verbunden werden sollen. Wenn letzteres, dann wäre die Art der Verbindung zu klären, insbesondere unter dem Hinblick der Auswirkungen auf den Personaleinsatz.
Die Call-Center-Computertechnik umfasst mehrere überwachungsgeeignete Komponenten; die wichtigsten darunter sind
In all diesen Fällen soll ein angemessener Schutz der Beschäftigten vor einer technischen Überwachung ihrer Leistung oder ihres Verhaltens erreicht werden.
Die ACD-Anlagen selber sollen so konfiguriert werden, dass mit den original-aufgezeichneten Daten der Anlage keinerlei Auswertungen erstellt werden, sondern die Gesprächs- und Verteilungsdaten nur durch die nachgeschalteten Softwaresysteme im Rahmen des dort vereinbarten Umfangs ausgewertet werden. Der Transfer von Daten aus der ACD-Anlage auf PC-Systeme ist ebenfalls zu unterbinden.
An dieser Stelle ist auch der Umgang mit den Gesprächsgebührendaten der Anlage zu klären, insbesondere auch, unter welchen Umständen und in welchem Umfang privates Telefonieren erlaubt ist.
Das Monitoring-System soll so eingesetzt werden, dass im wesentlichen nur ein "Monitoring des Augenblicks" erfolgt. Diverse Anzeigen sollen den augenblicklichen Zustand des Systems zeigen. Es werden keine Daten zur Nachvollziehung einer Historie gespeichert. Somit ist nur eine direkte Kontrolle des augenblicklichen Zustands möglich. Diese Kontrolle soll an die Zielsetzung einer optimalen Steuerung der Anlage gebunden werden.
Das Softwarepaket Invision besteht aus den unterschiedlichen Komponenten
Die personenbezogene Datenbasis in der Software sollte in einer Anlage verbindlich dokumentiert sein - wie bereits in der Pilotvereinbarung geschehen. Hier ist insbesondere eine Regelung zu finden, wie mit der Thematik skill based routing in Zukunft umgegangen werden soll (In der Pilotvereinbarung wurde nur von den Merkmalen englische Sprachkenntnisse und Kenntnisse über ein bestimmtes Produkt Gebrauch gemacht).
InVision verspricht eine relativ gute Regelbarkeit. Insbesondere wirbt der Hersteller:
Mit Invision SPS können die Wünsche und Anforderungen Ihrer Mitarbeiter fair und gleichmäßig ohne Mehraufwand in die Planung einbezogen werden. Dadurch wird Zufriedenheit, Motivation und Engagement gestärkt. Das merken auch Ihre Kunden und letztendlich Sie - am Umsatz.
zitiert aus der Produktbroschüre InVision Software GmbH
Die einzelnen Programmodule sind - möglicherweise in einer Anlage - zu beschreiben. Die Art der erstellten Auswertungen ist zu skizzieren, eventuell in Beispielen zu dokumentieren.
Man sollte prüfen, ob es nicht ausreicht, die Zwecksetzung der erstellbaren Auswertungen textlich zu beschreiben (und durch beispielhafte Muster zu erläutern), und ein Initiativrecht für den Betriebsrat zu vereinbaren, das ihm genug Möglichkeiten gibt, um bei wirklich auftretenden Problemen genauere oder strengere Regelungen erzielen zu können.
Die zu regelnden Auswertungen der ACD-Daten sollten auf Statistiken auf Monats-, Quartals- und Jahresbasis begrenzt werden (z.B. Anrufaufkommen gesamtes Call Center, ausgehende und eingehende Gespräche).
Für das Reporting wird in diesem Beispiel diverse Software der Firma COGNOS eingesetzt (Solche Software ist von Data Warehouse-Anwendungen bekannt und dient der graphischen Aufbereitung von Berichtsdaten). Diese Software hat den Vorteil, vor allem statistische Befunde zunächst auf einer relativ stark zusammengefassten Ebene darzustellen. Ein solches Ergebnis kann dann - benutzergesteuert - weiter detailliert werden (sog. drill down durch Auflösung der Kanten eines Datenwürfels in feinere Einheiten). Hier muss - eventuell in Abhängigkeit vom Datenmaterial und insbesondere seiner Überwachungseignung - die kleinste erlaubte Einheit festgelegt werden. Probleme bestehen auch, wenn in den Auswertungen Uhrzeiten erkennbar sind; in diesen Fällen ist darauf zu achten, einen Einzelpersonenbezug des dargestellten Ergebnisses zu vermeiden.
Die graphische Präsentation hat zudem den Vorteil, die Aufmerksamkeit zunächst auf die übergeordneten Zusammenhänge zu lenken. Detaillierte Information wird nicht automatisch, sondern erst auf ausdrückliche Anforderung des Benutzers zur Verfügung gestellt. Solcherart Software ist durch ausgesprochenen Werkzeugcharakter gekennzeichnet und fördert das Mitdenken ihrer Benutzer.
Dieses Verfahren hat natürlich nur dann Wert, wenn es nicht umgangen werden kann. Deshalb wird hier der Vorschlag gemacht, die Auswertungsmöglichkeiten des ACD-Systems nicht zu nutzen und auch keine Datentransfers aus der ACD-Anlage auf die PC-Ebene (Tabellenkalkulation, Datenbankanwendungen) zuzulassen.
Viele Aktivitäten der Call-Center-Mitarbeiter (Agents) werden durch Dienstleistungen im unternehmensinternen Computernetz (Intranet) unterstützt. Die entsprechenden Services werden über - mehr oder minder - zentrale Funktionen bereitgestellt. Die entsprechenden Server sind allesamt in der Lage, das Benutzerverhalten ausführlich zu protokollieren - genauso wie man das vom Internet-Zugang kennt. Da für die unternehmensinterne Anwendung derselben Techniken leider auch dieselben Kontrollmechanismen zur Verfügung stehen, ist auch hier eine Regelung erforderlich.
Die eingesetzten Arbeitsmittel genügen oft nicht in jedem Fall den Anforderungen einer aufgabengerechten Arbeitsabwicklung, v.a. bei einem eingesetzten Dialer-System, wenn dieses den Agents Gespräche ohne Vorwarnung sozusagen "ins Ohr" stellt. Die 1998 verfügbare Hard- und Software lässt leider noch viele Wünsche offen. Mit den Systemanbietern ist aber in den meisten Fällen über angestrebte Verbesserungen zu verhandeln. Eine entsprechende Verpflichtung des Unternehmens kann durchaus auch in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden - und wenn dies geschieht, sollte man gleich auch eine Beobachtung des Verhandlungserfolgs mitvereinbaren.
Die Forecasting-Funktionen der CC-Software können zu Benachteiligungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen, wenn nur einseitig die Belange des Betriebes bei der Personaleinsatzplanung Berücksichtigung finden.
Das System ist so zu ändern, dass entweder keine systeminitiierten Gespräche stattfinden (also alle Gespräche von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern veranlasst werden) oder die Signalisierung eines bevorstehenden Gesprächs so rechtzeitig erfolgen kann, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter sich darauf einstellen kann (akustisches Signal, evtl. Verzicht auf das automatische Anrufbeantwortererkennen, rechtzeitige Anzeige der Gesprächspartnerdaten am Arbeitsplatz). Auf jeden Fall muss eine entsprechende Konfigurierbarkeit des technischen Systems erreicht werden (Verhandlungen bzw. Vertrag mit der Herstellerfirma).
Der Hersteller der InVision-Software wirbt mit der Berücksichtigbarkeit von Mitarbeiterwünschen bei der Einsatzplanung. Hierfür ist ein Verfahren zu entwickeln, das die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Planung auch gewährleistet. Die Verträglichkeit mit den derzeitigen Arbeitszeitmodellen ist zu prüfen. Eventuell bedarf es einer gewissen (aber nicht zu langen) Vorlaufzeit. Ebenfalls empfiehlt sich die Festlegung von Teamgrößen (Mindestgröße, Bandbreiten).
Im unternehmensinternen Intranet stehen umfangreiche Materialien zur fachlichen Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung (Produktdokumentationen, Arbeitsmappen). Der Nutzen dieser Hilfsmittel hängt entscheidend von deren Qualität ab. Daher sollte der Weiterentwicklung der bereitgestellten Materialien hohe Beachtung zukommen. Hier sind auch zu erwartende Veränderungen durch die Internet-Techniken zu berücksichtigen, die es erlauben, den Kunden Dienste zur Verfügung zu stellen, die traditionelle CC-Dienste mit Web-basierten Diensten mischen. Das Unternehmen sollte nicht unbedingt so lange abwarten, bis andere es ihm vormachen, sondern sich an die Spitze einer neuen kunden- und mitarbeiterfreundlichen Technik stellen.
Die Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann ausgebaut werden: Datenbank für Tips & Hints, Trouble-Boards, offenes Messaging-System usw.
Die Sachmaterie eignet sich ebenfalls gut für Computer-Based Training (CBT). So kann eine Selbstqualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Arbeitsprogramm eingebaut werden; wäre eventuell in den Zielvereinbarungen festzuhalten (Inhalte, Umfang der Selbstqualifizierung, unterstützende Maßnahmen seitens des Unternehmens).
Die Beteiligungsrechte der Betriebsräte bei Veränderungen und einem künftigen Ausbau der Anlagen sind zu regeln. Hierfür gibt es zahlreiche Muster. Eventuell existiert eine Rahmenbetriebsvereinbarung, auf die man sich an dieser Stelle beziehen kann.
Zumindest während der Einführungs- und Erprobungsphase empfiehlt sich auch ein 3-Monats-Gespräch der örtlichen Betriebsräte mit dem ACD-Management. Die jeweiligen Ansprechpartner sollten dann allerdings festgelegt sein.
Bei umfangreicheren Veränderungen bzw. Neuanwendungen müssen eine ausreichende Information und eventuell eine Schulung der betroffenen Betriebsräte gewährleistet sein.
Hier sind Kündigungsfrist, eventuell ein frühester Kündigungstermin und die Nachwirkung der Vereinbarung festzulegen.