Regelungsbedarf bei Call Center

Schon im Sommer 1998 gab es in Deutschland etwa 1500 Call Center mit rund 150.000 dort tätigen Menschen. Nur jedes dritte der 5000 umsatzstärksten Unternehmen betreibt ein eigenes Call Center, die andern nutzen selbständig als Call Center agierende Firmen als externe Dienstleister - dem vorausgegangen ist oft ein Outsourcing-Prozeß. Es gibt inzwischen von den Industrie- und Handelskammern unterstützte Ausbildungsgänge, in denen einem in 240 Stunden die Grundlagen des Telemarketing beigebracht werden sollen. In einigen Call Centern wird für bis zu 60 Kunden-Firmen gearbeitet.

Das neue Marktsegment umfaßt schon über 4 Mrd. DM, weist eine hohe Steigerungsrate auf und steht unter wachsendem internationalem Wettbewerbsdruck. Neueste technische Entwicklung ist die Kombination mit dem Internet. Ein Call-Us-Button erlaubt den direkten Kontakt von der Anbieter-Internet-Seite aus (entweder über den zweiten ISDN-Kanal oder über Internet-Telefonie mittels spezieller Software, die man meist direkt runterladen kann). So kann man sich dann während des Internet-Surfens von einem Call-Center-Agenten beraten lassen.

Im folgenden die wichtigsten regelungsbedürftigen Themen:

Beschäftigung
Zwischen zwei Typen von Call Center sollte unterschieden werden:
  • Call Center für den unternehmens-/konzerninternen Gebrauch (Kundenkontakt-Center, User Help Desk usw.) oder
  • Call Center als externes Dienstleistungsunternehmen.

Die Einführung eines Call Center ist immer verbunden mit größeren Veränderungen sowohl der Betriebsorganisation als auch der Arbeitsablauforganisation und erfüllt in der Regel die Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 BetrVG - Betriebsänderung mit der möglichen Folge Interessenausgleich/Sozialplan.

Nur mit dem ersten Typ kann sich ein Betriebsrat mit Aussicht auf Erfolg auseinandersetzen.

 
Einkommen
  Viele Firmen besetzen ihre CC mit deutlich schlechter bezahlten Arbeitskräften als dies in den früheren traditionellen Sachbearbeitungs- oder Außendienstbereichen der Fall war. Oft werden bewährte Mitarbeiter nach Hause geschickt, um Billigkräfte neu einzustellen. Der Erfolg für das Unternehmen ist zweifelhaft, da sich die schlechte Präsentation über das Call Center in der Regel negativ auf die Gestaltung der Kundenbeziehungen auswirkt.
 
Arbeitsumgebung/Ergonomie
Oft anzutreffende Probleme:
  • Schlechte Unterbringung in Großraumbüros und unpersönliche Umgebung
  • Dauerhaftes Arbeiten bei Kunstlicht
  • Umgebungslärm
  • Ungesundes Raumklima mit häufigeren Erkältungskrankheiten
 
Arbeitsbedingungen
Die den Agents zur Verfügung stehenden Arbeits- und Hilfsmittel sind zu beschreiben. Es ist schwer, allgemeingültige Regeln aufzustellen.
Arbeitszeit
Schichtbetrieb, nicht selten dreischichtig für einen 24-Stunden-Betrieb. KapOVAZ-artige Herbeiholaktionen.
 
Schutz der Persönlichkeitsrechte
Einschalten der nächsthöheren Vorgesetzten in die Kundengespräche (offiziell mit Training oder Supervision begründet) teils ohne Anmeldung oder sogar ohne Wissen der betroffenen Person.

Skill Based Routing und die Gefahr der softwaregesteuerten Überwachung des Einsatzes in bestimmten Skills (Fähigkeiten) - vor allem, wenn dies Einfluß auf das Entgelt hat.

Qualifizierung
Es ist erforderlich, das Anforderungsprofil und die zu seiner Erfüllung benötigten Qualifikationen festzulegen. Man kann wegen der Neuheit der CC kaum auf Bewährtes zurückgreifen. Kunden-/Dienstleistungsorientierung und Qualifikationsanforderungen müssen eng verknüpft werden. Dann erst läßt sich ein Qualifizierungsplan aufstellen. Dies ist immer noch echte Pionierarbeit.

Die Inhalte für einen Grundkurs sollten inhaltlich festgelegt werden. Abgrenzung gegen das bei aufs Sparen kaprizierten Arbeitgebern so beliebte Schneeballprinzip: die Erfahreneren bringen es den Greenhorns schon bei - funktioniert so gut wie nie, Folgen: Stress und unproduktives Arbeiten, unzufriedene Kundschaft.

Skills-Orientierte Programme, wenn CC-Mitarbeiter nicht nur als Generalisten, sondern verstärkt als Spezialisten eingesetzt werden. Abgrenzung Generalisten - Spezialisten sehr wünschenswert, auch wichtig für die Kolleginnen und Kollegen wegen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten.

Auch die Möglichkeiten eines Computer Based Training können einbezogen werden, v.a. zur Vertiefung von Kenntnissen über die Produkte oder Dienstleistungen, über die die CC-Agents beraten oder Auskünfte erteilen sollen.

 
Firmenkultur
Call Center gedeihen nur vor dem Hintergrund einer ausgeprägten Kunden- und Dienstleistungsorientierung. In den meisten Unternehmen sind sie schlecht angesehen.

Meistens sind CC-Jobs perspektivelos ohne (Mini-)Karrieremöglichkeiten geplant. Dies erzeugt Frust und miese Motivation. Folge: schlechte Arbeit und unzufriedene Kundschaft. Der Teufelskreis läßt grüßen.

 
Hintergrundmaterial
Software für die Unterstützung des Call-Center-Betriebs

Weitere Hinweise: