Die folgende Betriebsvereinbarung wurde im Sommer 2005 abgeschlossen und soll die Einführung eines Remote-Monitoring-Systems in einem Call Center regeln, das für ein anderes Unternehmen Calls abwickelt. Die Firma Nice vertreibt ein sog. Quality Monitoring-System, mit dessen Hilfe Gespräche aufgezeichnet und die vom Call Center Agent getätigten Eingaben und Aktionen am Bildschirm synchron mit dem gesprochenen Wort ebenfalls aufgezeichnet werden können. Die Regelung wird von uns als Sündenfall qualifiziert und ist nicht zu empfehlen. Wir veröffentlichen sie mit kritischen Anmerkungen versehen, weil sie zurzeit eines der meistgelesenen Dokumente ist.

Was man tun sollte, wenn man schon zur Regelung eines solchen Systems gezwungen wird, haben wir in einem Grundsatz-Dokument zusammengefasst.

 

Betriebsvereinbarung zur Nutzung personenbezogener Daten des IT-Systems Quality Monitoring der Firma Nice

Präambel

Die Arbeitgeberin betreibt am Standort ... ein Call Center, das für das Unternehmen .... Telefonie abwickelt. Das auftraggebende Unternehmen führt an diesem Standort im Betrieb der Arbeitgeberin das Quality Monitoring-System der Firma Nice ein. Mit dieser Einführung beabsichtigt das auftraggebende Unternehmen eine langfristige objektive Messung und Verbesserung der Qualität der eingesetzten Call Center-Agenten im Betrieb der Arbeitgeberin.

Hier wird eine Regelung abgeschlossen, die einer fremden Firma (Auftraggeber des Call Centers) unter dem Vorwand der Qualitätssicherung eine denkbar weitestgehende Überwachung der Mitarbeiter erlaubt. - Nie und nimmer sollte ein Betriebsrat einem solchen Verfahren zustimmen!

 

Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt für alle Beschäftigten der ... am Standort .... als Anwender des QS-Systems, soweit sie Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind.

 

Begriffsbestimmungen

Es gelten die Begriffsbestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes.

Unter Remote Monitoring wird branchenüblich das Mithören bzw. Aufzeichnen dienstlich geführter Telefonate und sonstiger Kontakte mit den Kunden sowie die Betrachtung bzw. Aufzeichnung der Bildschirminhalte und -aktionen verstanden.

... oder die Linde rauscht.

Hier wird der Eindruck erweckt, dass eine vermutlich gesetzwidrige Totalüberwachung "branchenüblich" sei.

Systemdokumentation

Anlage 1 enthält eine Beschreibung der technischen Komponenten des Systems....

Anlage 2 enthält die im System verwendeten personenbezogenen Daten ...

Das QM-System ermöglicht die Aufzeichnung von Calls und der dazu gehörenden Bildschirminhalte und Aktionen.

In Anlage 3 sind die Schnittstellen mit personenbezogenen Daten zu anderen IT-Systemen dokumentiert.

 

Verhaltens- und Leistungskontrolle

Das QM-System ist dazu geeignet, Aussagen zum Verhalten oder zur Leistung von Beschäftigten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu treffen. Die zulässigen Auswertungen unter Verwendung personenbezogener Daten ergeben sich abschließend aus Anlage 4.

Das auftraggebende Unternehmen ist berechtigt, zum Zwecke der Verbesserung der Service-Qualität personenbezogene Daten der Beschäftigten des auftragsnehmenden Unternehmens sowie die dazu gehörigen Bildschirminhalte mit dem QM-System aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnungen dienen der Qualifizierung und Schulung der Mitarbeiter des auftragnehmenden Unternehmens, um dadurch die vom Auftraggeber vertraglich geforderte Qualität sichern zu können sowie der Kalibrierung der vom Auftraggeber gelieferten Bewertungen.

Eine weitergehende Verhaltens- und Leistungskontrolle findet nicht statt.

Die aufgezeichneten Gespräche dürfen bis zu drei Monaten gespeichert werden.

Hier wären dringend alternative Regelungen angebracht. Beispielsweise könnte vereinbart werden, dass nur die betroffenen Beschäftigten Zugang zu dem aufgezeichneten Material haben und ihrerseits auswählen können, welche Aufzeichnungen sie zu Trainingszwecken heranziehen

 

Datenschutz

Um den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten sicher zu stellen, sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes, insbesondere bei der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Prinzipien der Datenvermeidung und Datensparsamkeit einzuhalten.

Die Verwendung von personenbezogenen Daten zum Zweck der Datensicherung bzw. zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen IT-Betriebs gem. § 9 BDSG unterliegen der engen Zweckbindung des § 31 BDSG.

Alle Daten, die die Arbeitgeberin unter Verstoß gegen Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung erhält, kann sie den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber rechtlich nicht verwerten, mit Ausnahme vorsätzlich unerlaubter Handlung.

Das Grobkonzept zum Datenschutz ist in Anlage 5 präzisiert. Die Berechtigungsmatrix ist in Anlage 6 geregelt.

Diese Regelungen erwecken den Eindruck, als ob etwas für den Datenschutz getan würde. Sie geben aber nur das wieder, was ohnehin schon geltendes Recht ist, also keiner Vereinbarung mehr bedarf.

Dieser Abschnitt stellt keine wesentliche Einschränkung der arbeitgeberseitigen Verwendung dar, weil die Vereinbarung zu große Interpretationsspielräume für erlaubte Zweckbindung einräumt.

Die vom Hersteller angebotenen Leistungsmerkmale word spotting und emotion detection werden nicht augeschlossen. Sie sind unserer Auffassung nach durch eine Kundeneinwilligung für die Gesprächsaufzeichnung zu Zwecken des Qualitätsmanagements wegen fehlender Konkretheit der Zweckbindung nicht abgegolten.

Aufzeichnungsintervalle

Die Aufzeichungsintervalle werden über eine Woche verteilt und so bemessen, dass die wechselnden Intervalle insgesamt 45 Prozent der wöchentlichen Betriebsnutzungszeit nicht überschreiten. Diese Regelung gilt für Teilzeitbeschäftigte entsprechend ...

Die Aufzeichnungszeit selbst ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anzuzeigen.

Viel zu hoher Zeitanteil

Kalibrierung im Rahmen der Pilotvereinbarung

Ergibt die Auswertung durch den Auftragnehmer eine Qualität, die die Auftraggeberin zur Geltendmachung eines Malus gemäß Service Level Agreement berechtigen würde, kann die Arbeitgeberin die Daten durch eine dem Betriebsrat namentlich benannte Trainerin im Beisein eines Betriebsratsmitglieds und eines vom Betriebsrat benannten Beraters selber auswerten. Hier wird in die gesamten Daten einschließlich der personenbezogenen Daten Einsicht genommen.

Der Arbeitgeberin wird die Kalibrierung auf alle ausgewerteten Aufzeichnungen mitgeteilt; diese Auswertungen weisen keinen Personenbezug auf. ..

 

Eine äußerst seltsame Regelung. Hier beteiligt sich der Betriebsrat einschließlich der von ihm beauftragten Berater an einem Prozess, der vor dem Gebot des Schutzes der Persönlichkeitsrechte als äußerst kritisch bezeichnet werden muss.

 

  Es fehlen jedwede Regelungen zu dem umfangreich möglichen Reporting.

Rechte der Beschäftigten

Die Beschäftigten werden auf geeignete Weise über die Aufzeichnungen und Speicherungen der Gespräche sowie Bildschirminhalte informiert.

Information über die Überwachung statt Schutz

Rechte des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung

Die Anlagen 1 bis 6 geben den jeweils mitbestimmten Umfang der Nutzung des Systems wieder. Änderungen und Ergänzungen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats.

Der Betriebsrat hat lesenden Zugriff zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung auf die Log-Dateien.

Die Schwerbehindertenvertretung hat im Rahmen ihrer Aufgaben gemäß § 95 SGB IX ein Informations- und Überwachungsrechte hinsichtlich der Einhaltung dieser Vereinbarung.

Unklar, was die Log-Dateien überhaupt aussagen.

Schlussbestimmungen

Diese Vereinbarung tritt am .... in Kraft. Die Anlagen sind Bestandteil der Vereinbarung. Zur Änderung der Anlagen bedarf es keiner Kündigung.

Sollten Bestimmungen dieser Vereinbarung ganz oder teilweise nicht durchführbar sein, wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung nicht berührt.

...

 

Die abschließenden Parteienhaben sich offensichtlich selber nicht über den Weg getraut und deshalb vorsichtshalber die salvatorische Klausel des letzten Absatzes eingefügt.