Zusammenfassung von Kapitel 3 des Buchs
Richard Sennett:
Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus
Berlin 1998
Flexibilität wurde im 15. Jahrhundert Teil des englischen Wortschatzes; die Bedeutung des Wortes wurde aus der einfachen Beobachtung abgeleitet, daß ein Baum sich zwar im Wind biegen kann, dann aber zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückkehrt. Übertragen auf menschliches Verhalten sollte dieses die Dehnfähigkeit haben, sich wechselnden Verhältnissen anpassen zu können, ohne allerdings von ihnen gebrochen zu werden.
Heute hat sich die Bedeutung des Wortes grundlegend geändert. Hinter dem modernen Gebrauch von Flexibilität verbirgt sich ein dreifaches Machtsystem:
"Viele Firmenchefs waren in den Neunziger Jahren der festen Überzeugung, dass eine große Organisation nur in der hochbezahlten Phantasiewelt der Consultingbüros eine neue Strategie entwerfen, sich daraufhin entsprechend verschlanken und umorganisieren und dann mit Volldampf den neuen Plan verwirklichen könne" (S. 61).
Diese Strategie wird ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt - Die meisten Reengineering-Projekte scheitern, v.a. weil Institutionen während des Personalabbaus in Funktionsstörungen geraten:
Die organisierte Macht ist in modernen Organisationen zugleich effizient und formlos. In regellosen Institutionen werden diejenigen, die in der Lage sind, alles zu nehmen, dies auch tun. Die Flexibilität verstärkt die Ungleichheit. Die angemessene Organisationsform ist die Teamarbeit.
Flexible Organisationen operieren mit variablen Zeitplänen - Flexible Arbeitszeit. Damit verbunden sind neue Formen der Kontrolle. Nur wenige Organisationen mit flexibler Arbeitszeit räumen ihren Beschäftigten wirkliche Zeitautonomie ein und sagen ihnen wie beim klassischen Tagewerk: "Hier ist eine Aufgabe, solange ihr sie erfüllt, könnt ihr machen was ihr wollt". Gerade bei der Teleheimarbeit zeigt sich, dass die vom Betrieb abwesenden Arbeitskräfte oft intensiver überwacht werden als die anwesenden. Diese Überwachung erfolgt elektronisch: die "metrische Logik" (Daniel Bell) ist von der Stechuhr auf den Computerbildschirm gewandert.
Zeit light bedeutet Zeit ohne Autorität. Dem Management gelingt es dadurch, Macht auszuüben, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen.
"Das Fehlen von Autorität gibt den Oberen die Freiheit umzuschichten, anzupassen oder zu reorganisieren, ohne ihr Handeln zu rechtfertigen" (S. 154).
Das neue kooperative Ethos der Teamarbeit setzt an die Stelle der alten Herren jene "Moderatoren" und "Process-Manager", die der ehrlichen Auseinandersetzung mit ihren Dienern aus dem Weg gehen.
Ein weiteres Merkmal der flexiblen Arbeit ist fehlende langfristige Bindung. Beispiel Software: Produkte folgen rasend schnell auf dem Markt (und verschwinden genauso schnell), Umorganisierungen erfolgen oft bereits, bevor die Wirkungen der letzten Aktionen evaluiert sind. Die Folgen wachsender Fragmentierung der Arbeitssysteme werden in Kauf genommen.