Microsoft 365

Ein Überblick - Problemfelder und Regelungsschwerpunkte.

Microsoft 365 - kurz M365, vormals Office 365 - hat sich zum Vollzeitprogramm für Betriebsräte gemausert.

Die Software im Office-Bereich hat in früheren Zeiten kaum die Aufmerksamkeit der Betriebsparteien gefordert. Es handelte sich um Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulation, eventuell Präsentationsprogramme, und letztere hauptsächlich nur fürs Management. Vor Jahrzehnten gab es noch eine Vielfalt von Softwareanbietern, bis dann Microsoft im letzten Jahrzehnt das Feld abgeräumt und mit M365, vielen noch als Office 365 bekannt, ein Universalprogramm angeboten hat.

Name und Bestandteile dieses Softwarepakets werden von Microsofts Markenting laufend umbenannt. Was vor drei Monaten noch galt, kann heute schon unter anderem Etikett gehandelt werden. Das erschwert den Überblick.

Zentrale Probleme

Das grundlegende Problem im Umgang mit den Persönlichkeitsrechten besteht darin, dass jede Benutzeraktivität vom System erfasst, gespeichert und an ein nach Big Data-Konzepten organisiertes Hintergundsystem weitergegeben wird.

Speichern aller Benutzeraktivitäten

Die Software-Komponenten des gesamten M365-Pakets registrieren jede Aktivität der Benutzer und speichern sie in einem Hintergrund-System, dem social graph. Wir sehen hierin eine gravierende Verletzung der Persönlichkeitsrechte für die Benutzerinnen und Benutzer der Software. Ohne ihnen die Möglichkeit einer Einflussnahme zu gewähren, werden alle ihre Aktivitäten innerhalb der Software registriert und in dem Big Data-Hintergrundsystem Graph gespeichert. Dort wird ein Beziehungsnetz aller Benutzerinnen und Benutzer erzeugt, so dass dem System bekannt ist, wer wann mit wem oder auch allein was gemacht hat. Im Hintergrsundsystem selbst geschieht das nicht namentlich, aber in einer Form, dass dem einzelnen Benutzer mitgeteilt werden kann, zu wem sie oder er zum Beispiel seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr gehabt hat.

Was Computer hearvorragend können, ist Mustererkennung: welche Zusammenhänge in dem Netz der vielen Aktivitäten aller Personen innerhalb eines Unternehmens, eines Konzerns und möglicherweise auch darüber hinaus, lässt sind mit diesen Methoden schnell feststellen und natürlich auch unter unterschiedlichsten Gesichtspunkten visualisieren. Alles dieses wird von Microsofts Marketing als Leistungen sog. Künstlicher Intelligenz gepriesen, die natürlich als Geschäftsgeheimnis nicht publik gemacht werden. Davon profitiert auch das als intelligenter Suchdienst gepriesene Leistungsmerkmal Delve.

Gegen dieses Verfahren können sich die Benutzer nicht wehren. Man kann lediglich die Anzeige der aus den gespeicherten Daten gewonnenen Rückschlüsse abschalten, beispielsweise auf die "intelligente" Suche von Delve verzichten und sich mit einer traditionellen Suche zufrieden geben, bei der nur nach dem Vorkommen des gesuchten Begriffs innerhalb der gespeicherten Daten gesucht wird. Das eigentliche Problem aber bleibt bestehen. Microsofts Hintergrundsystem "weiß" alles über seine Benutzer.

Uns bleibt der Trost, dass die Maschine selbst kein Bewußtsein hat und noch auf die Programmierer angewiesen ist, die dem System sagen müssen, was es mit den vielen Informationen über seine Benutzer tun soll, im Klartext: wem was gesagt werden soll.

Kein Datenschützer, kein Unternehmen, keine Gewerkschaft und kein Betriebsrat hat sich ernsthaft mit Microsoft angelegt, um dieses Verfahren zu ändern. Microsoft allein entscheidet was es mit den Daten anfängt und orientiert sich sicherlich daran, was für sein eigenes Geschäft gut ist. Typische Reaktion des Betriebsratsvorsitzenden eines großen global tätigen Unternehmens, sich da nicht reinzuhängen:

Das ist mir ein Rad zu groß. Wir können hier keine Weltpolitik machen.

Präsenzanzeige

Wenn das System schon alles über seine Benutzer weiß, ist es eine Kleinigkeit, zu signalisieren, wer gerade online oder nicht eingeschaltet ist. Sogar ob jemand gerade etwas tut oder nur ruhig vor seinem Computer sitzt, lässt sich visualisieren. Diese Präsenzanzeige lässt sich weiter ausbauen: Das Systdem kann feststellen, ob man sich in einer Besprechung befindet. Es kann mir erlauben, selber zusätzlich mitteilen zu können, dass ich beispielsweise nicht gestört sein will usw. Alles bestens, wenn ich zu einer Kollegin oder einem Kollegen Kontakt aufnehmen will und sehen kann, ob und wie sie bzw. er erreicht werden kann. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt, z.B. dass man so seine lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch wunderbar kontrollieren kann. Betriebsräte haben uns berichtet, das es Vorgesetzte gegeben haben soll, die sich Strichlisten über die An- oder Abwesenheiten ihrer Leute gemacht haben sollen. Man mag dies zu Recht für Leistungen eines verbrannten Hirns halten, aber wenn man eine einzelne Person auf dem Kicker hat, kann das schon einmal recht nützlich sein.

Produktivitätskontrolle

Microsoft hält das kontinierliche Arbeiten mit seinen wundersam vermehrten Software-Features für produktiv. Wer viel klickt, ist fleißig. Das komplette System ist so ausgelegt, dass es förmlich nach Klicks seiner Benutzer giert. Und weil alles so nüchtern sachlich ist, also der emotionale touch fehlt, berücksichtigt man auch die an zahlreichen Positionen im System zur Verfügung stehenden emojis.

Jede Benutzerin, jeder Benutzer kann für sich auswerten, wann sie oder er was mit dem System unternommen hat. MyAnalytics nennt sich das Leistungsmerkmal. Und was für den einzelnen Benutzer geht, gibt es natürlich auch für ganze Gruppen, nennt sich dann Workplace Analytics, interessant für Vorsetzte, die sich für nach Microsoft-Kriterien gemessene Produktivität ihres Verantwortungsbereichs interesseieren (oder besser ihres Zuständigkeitsbereichs, denn mit Verantwortung hat dies ja wenig zu tun). Alles das in Zukunft in Microsoft Viva integriert.

Die Aufblähung der vielen Leistungsmerkmal hat auch zur Folge, dass die Menschen immer stärker an den Umgang mit Computern gebunden werden. Das ist nicht in jedem Fall vorteilhaft, Technisierung von Information ist nicht unbedingt zusammenarbeitsfördernd. Hier gilt es, Augenmaß zu behalten und auch einmal einfach Nein zu sagen.

Geht es nach Microsoft, so sollen die Benutzer in die im System vordefinierten Workflows hineingezwungen werden. Workflows aber bedeuten festverdrahtete Arbeitsabläufe. Sie schränken die Autonomie der arbeitenden Menschen ein und behindern ebenfalls die Flexibilität. Deshalb empfieht sich ein zurückhaltender Umgang.

Was ist zu tun?

Wenn man sich auf die wesentlichen Punkte konzentriert, dann sollte man Regelungen zu folgenden Punkten treffen:

 

Irrwege

Die Regelung von M35 ist zu einem Geschäft geworden. Da alles, was sich nicht wehrt, vom System aufgezeichnet wird, ist das Überwachungspotenzial ebenfalls umfangreich gestiegen. Als die tse gegründet wurde, gab es in ganz Deutschland vielleicht zwei Handvoll Experten, die Betriebsräten zur Verfügung standen, jetzt sind daraus Tausendschaften geworden, hauptsächlich Anwaltskanzleien, die "das bisschen Technik" auch noch gleich nebenbei erledigen. Die Gefahr ist groß, dass man sich in Nebensächlichkeiten oder der Beschreibung von nicht Beeinflussbarem verliert. Man kann nicht nur vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, sondern aus den Bäumen auch noch ins Unterholz geraten. Dann ist die Orientierung verloren.

Karl Schmitz, März 2021