Kurzfassung
Die Entwicklung von Chatbots über Assistenzfunktionen führt zu Agentensystemen, der Verbindung von KI-Systemen mit digitalen Workflows. Voraussetzung sind eine solide Datenbasis und aufbereitetes Prozesswissen. Unter diesen Voraussetzungen lassen sich ganze Arbeitsbereiche bis zur Vollautomatisierung umgestalten; benötigt werden nur noch wenige Personen für Supervisionsaufgaben. Wie die Arbeitsplatzbilanz aussehen wird, bleibt abzuwarten.
KI-Agentensysteme
Thema dieses Beitrags sind Chatbot-Agents mit Workflows und deren ebenfalls KI-gesteuerte "Orchestrierung", d.h. deren Organisation und automatischer Zusammenschaltung, ohne die Erfordernis menschlichen Eingriffs. Diese Entwicklung zeichnet sich in drei Schritten an:
Chatbots
Sie haben Ende 2023 einen Meilenstein der KI-Entwicklung markiert. Sie konnten mit natürlicher Sprache umgehen, jede Menge Fragen beantworten und kleine Aufgaben erledigen wie Zusammenfassungen von Texten. Möglich war das durch die Verbindung großer Rechnerpower mit großen Datenmengen, Big Data eben, Daten, die zum Training der Systeme, den sog. Large Language Models benötigt wurden.
Inzwischen sind die Chatbots multimedial geworden. Sie sind nicht mehr an Texteingaben gebunden, können Sprache verstehen und auch in Sprache antworten und mit Bildern oder Videomaterial umgehen.
Sie fanden schnell weit verbreitete Anerkennung und wurden als große Hilfen in ebenfalls schnell wachsenden Anwendungsfeldern betrachtet. Dass hier ein Verlust von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stand, war noch kein Thema.
Assistenzsysteme
Die nächste Stufe war die Verbindung der KI-Technik mit Assistenzaufgaben. Alles fing bescheiden an. Chatbots wurden in die Lage versetzt, Termine zu vereinbaren, freie Plätze zu buchen, Angebote zu vergleichen, kurzum die Erledigung kleinerer Aufgaben sozusagen auf Zuruf zu erledigen. Vorläufer wie Siri oder Alexa hatten schon Ähnliches geleistet.
Voraussetzung eines solchen Systems ist immer die Spezialisierung einer Aufgabe und die
Ergänzung des Chatbot-Sprachmodells mit Algorithmen, die für die Erledigung der ganz speziellen Aufgabe sorgten. Es handelt sich um eine Verbindung eins Chatbots mit einem digitalen Workflow, der oft nur aus einer oder wenigen Stufen besteht.
Erste Phatasien, dass diese Systeme mit Assistenzfunktion geeigente waren, um Arbeitsplätze einzusparen, machten die Runde. Paradebeispiele waren Systeme, die auf der Grundlage von sprachlichen Anforderungen Computerprogramme schreiben konnten. Sie machten da weiter, wo die Low-Code- und No-Code-Strategien endeten.
Unternehmen, die solche Systeme einsetzen wollten, hatten eine Menge zu tun:
- die Aufgaben, für die sie solche Assistenz-Unterstützung suchten, genau zu definieren,
- den schwer überschaubaren Markt nach geeigneten Systemen abzusuchen oder Teams zu bilden, die aus Basissystemen mit zusätzlichen Daten eigene Chatbots oder Chatbot-änliche Systeme aufbauen konnten, was entsprechend qualifiziertes Personal voraussetzte, und schließlich
- die Systeme zu installieren, sie zu testen und in den Produktivbetrieb zu übernehmen.
Man sieht: ein Haufen Arbeit, wobei die Controller dann nach dem Verhältnis von Aufwand und Nutzen fragten. Man war dann schnell bei dem Urteil nice to have, aber das war es dann auch in vielen Fällen. Die Rationalisierungsmaschine wollte nicht so recht anspringen, trotz der lautstarken Werbung von Unternehmensberatungen mit Szenarien, welche Unmengen von Arbeitsplätzen man einsparen könnte, "könnte" eben.
Allen dieses Systeme war außerdem gemeinsam, dass man ihnen auf irgendeine Weise mitteilen musste, was sie zu tun hatten, von alleine konnten sie nichts.
Agentensysteme
Eine KI, die nur auf Anweisung handelt, entsprach natürlich nicht den Erwartungen an eine generelle Künstliche Intelligenz, die den menschlichen Fähigkeiten deutlich näher kommen, selbständig Entscheidungen treffen und dabei über einen vergleichsweise hohen Grad an Autonomie verfügen sollte.
Agentensysteme bedeutet nicht viel mehr, als mehrere geeignete Assistenzsysteme zusammenzuschalten und sie mit einer übergeordneten Instanz zu verbinden, die als Dispatcher-Einheit fungiert, also die anstehenden Aufgaben unter den spezialisierten Assistenten, den Experten für bestimmte Aufgaben, verteilt.
Der „Paradigmenwechsel“ wird darin gesehen, dass die KI-Agenten es Menschen ermöglichten, komplexere Aufgaben an sie zu delegieren, statt sie nur einzelne Tätigkeiten ausführen zu lassen.
Aus der wohlklingenden Propaganda eines Anbieters:
dafür
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Um diese Verbindung herzustellen, haben wir einen Process Intelligence Graph entwickelt. Er baut auf den Ergebnissen des Process Mining auf und wandelt diese in handlungsrelevantes Wissen um. So kann er KI-Anwendungen das erforderliche Wissen zur Verfügung stellen, um Daten korrekt zu interpretieren und kontextgestützte Erkenntnisse zu liefern.
Quelle: Celonis, zit. nach silicon.de vom 6.2.2025
Die Hersteller integrierter Anwendungssoftware sind dabei, diesen Trend aufzuzgreifen und Agentensysteme in ihre Anwendungsangebote zu integrieren, beispielsweise Microsoft Copilot, Salesforce Einstein, Agentic-AI-Fahrplan von ServiceNow oder SAP Joule. Eine ausführlichere Beispielbeschreibung finden Sie
hier.
Beispiel aus einer Lagerhaltung
- Agent 1 überwacht die Lagerbestände und meldet einen Alarm, wenn für einen Artikel der Bestand unter den Mindestbestand gesunken ist.
- Agent 2 erhält den Alarm und sucht aus den Stammdaten die Lieferantendaten, prüft die Lieferbereitschaft und holt Angebote ein, legt sie dem Einkauf vor.
- Agent 3 startet nach OK vom Einkauf den Bestellvorgang.
- Agent 4 überwacht die nächsten Schritte.
Das Verfahren kann jederzeit erweitert werden, z.B. Agent 3 erhält die Erlaubnis, unter Berücksichtigung vordefinierter Regeln die Bestellung selber auszulösen.
Andere Beispiele betreffen Kundenanfragen beantworten, Bestellungen managen, Software-Programme schreiben oder Tickets im Kundenservice priorisieren, Überwachungen von Compliance-Regeln, Erstellungen von Prospekten, Katalogen oder Präsentationen. Hersteller wie ServiceNow haben angekündigt, dass es in Kürze Tausende solcher Angebote geben wird.
Prognosen
Besonders geeignet für den Einsatz von Agentensysteme sind natürlich Arbeitsbereiche mit sich in hoher Anzahl wiederholenden oder sogar stupiden Tätigekiten. Die Technik wird hier nicht halt machen, sondern sich auch an komplexere Aufgaben heranwagen und den Anteil ausführender Tätigkeiten senken. Damit ist sicher, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Über das Ausmaß dieses Arbeitsplatzverlustes gehen die Meinungen noch weit auseinander. Jedenfalls scheint sicher, dass mit Unterstützung der KI geschaffene neue Tätigkeiten den Verlust nicht kompensieren werden.
Auch anspruchsvolle Arbeiten sind betrofen und den Betroffenen neue Werkzeuge zur Verfügung stellen. Die KI-Agententechnik kann für ihre eigene technische Weiterentwicklung Künstliche Intelligenz einsetzen. So kann eine Plattform entstehen, die es ermöglicht, tägliche oder projektorientierte Aufgaben und Arbeitsabläufe selber zu automatisieren, um sie dann sowohl automatisert als auch interaktiv nutzen zu können. Dank dieser Tools können Aufgaben, Prozesse, Probleme und Ziele in einfacher Sprache beschrieben und von den Systemen in Automatisierungsroutinen, Workflow-Skripte oder sogar Programmiercode umgewandelt werden und dann als persönliche KI-Agenten "zuzsammengeklickt" und genutzt werden. Keine besonderen Technikkenntnisse sind mehr erforderlich, nur klar denken sollte man allerdings schon noch können.
Es gibt sogar Assistenzsysteme, die autonom neue Aufgaben definieren können – ausgehend von bereits erledigten Aufgaben und einem zuvor beschrieben Ziel. Ein Anbieter lobt sein System mit der Aussage, dass es automatisiert Arbeitsabläufe herstellen kann, indem „Aufgaben dynamisch erstellt, priorisiert und ausgeführt werden“.
Auch Teams können sich auf diese Weise ihre eigenen Werkzeuge zusammenbasteln, beispielsweise um anspruchsvolle Prospekte und Angebote für Ski-Ferien zu erstellen, Spezialwissen in Dokumentationen oder Präsentationen zusammenzustellen, im Kundenservice Anfragen zu beantworten auf der Grundlage einer Analyse der Kundenkontakthistorie oder oder eine Mehrzweckhalle zu planen.
Ein weiterer Trend ist die fortschreitende Personalisierung der Systeme. Das Interface zu den Benutzern wird so gestaltet, dass es mit ihnen freundliche Dialoge auch über private Befindlichkeiten führen und so für eine angenehmere Arbeitsatmoshäre sorgen kann, so jedenfalls der Anspruch.
Ein weiteres Anwendungsfeld wird die Robotik sein. Humanoide Roboter werden selbst vor Dienstleistungsbereichen wie der Pflege nicht Halt machen (Pflegehunde für Kassenpatienten, humanoide Roboter für Privatversicherte, stellt Raid Hoffnan in seinem Buch ChatGPT Dein Freund und Helfer in Aussicht).
Erfolgskriterien
Schon die einfachen Assistenzsysteme haben dafür gesorgt, dass die App-Stores der Anbieter überquellen. Es ist aufwendig, sich einen qualifizierten Überblick zu verschaffen. Deshalb endet die Suche bei vielen Firmen in der Beauftragung eines Beratungsunternehmens und dessen best-practice-Angebot. Die Risiken der dadurch entstehenden Abhängigkeit müssen eingeschätzt werden.
Der Erfolg steht und fällt mit der Qualität der Daten, die ein Unternehmen für solche Experimente aufbereiten und verfügbar machen kann. Zweitens müssen die Prozesse digital übersetzbar definiert sein - das wird dann von den Anbietern wohlklingend als Prozess-Intelligenz bezeichnet. Und drittens geht nicht viel ohne gründliche Schulung. Diese beginnt bei den Ingenieuren und Führungskräften, die für die Datenaufbereitung und das vielgerühmte Prozesswissen zuständig sind - und endet bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit den Systemen umgehen sollen.
Eine weitere wichtige Voraussetzung - wie bei jeder Automatisierung - ist die fortgeschrittene Standardisierung. Das reicht von der Ablauforganisation bis zum Produktdesign. Wenn man hier nicht aufpasst, ist man schnell dabei, dass die fünf Prozent Ausnahmen von Standardabläufen 95 Prozent der Kosten verursachen und damit die KI-getriggerte Automatisierung insgesamt sehr teuer wird. Über je weniger Kompetenz ein Unternehmen in den eigenen Reihen verfügt, desto heftiger steigt die Abhängigkeit von externer Hilfe. Gleichzeitig sinkt die vielgelobte Flexibilität, wenn Prozessänderungen immer wieder diese Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
Fazit
Anfang 2025, noch liegen zu wenig belastbare Erfahrungen vor, um beurteilen zu können, ob sich das Konzept durchsetzen kann und ob die negativen Folgen des drohenden Arbeitsplatzabbaus in der von den Tech-Firmen und Unternehmensberatungen in Aussicht gestellten Umfang eintritt. Zweifelsfrei gibt es sinnvolle Anwendungsszenarien, vermutlich aber seltener als heute, 2025, vermutet. Ohne Zweifel kursieren aber auch Konzepte, deren Sinnhaftigkeit5 nicht über alle Zweifel erhaben ist, wie das hier erwähnte Beispiel zeigt.