Heute haben bereits die meisten Arbeitsplätze direkt oder mittelbar mit Computereinsatz zu tun. Dem muss auch die betriebliche Politik der Arbeitnehmer-Interessenvertretung Rechnung tragen. Es handelt sich nicht mehr um eine Minderheit von Beschäftigten. Die Qualität des Arbeitssystems wird damit zum neuen Schwerpunkt betrieblicher Politik. Und diese Qualität wird weniger durch die eingesetzten Geräte, sondern maßgeblich durch die verwendete Software bestimmt. Software ist der Stoff, aus dem der technikbezogene Teil computerunterstützter Arbeitssysteme gemacht ist. Software entscheidet maßgeblich darüber, wie Menschen mit den Arbeitssystemen zurechtkommen. Die Frage nach der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsmitteln und Arbeitsumgebung ist damit nicht suspendiert, aber zuallererst muss man darauf sehen, ob die Konstruktionsregeln der Computerprogramme sich auch mit den Arbeitsweisen von Menschen vertragen. Gesucht sind nicht nur Computer, die zu unseren Händen passen, sondern Programme, die zu unserem Denken passen.
Eines der ältesten Dokumente, das Hinweise zur Beantwortung der Frage, was eigentlich benutzerfreundliche Software ist, geben könnte, sind die Human Interface Guidelines der Firme Apple, eine Art Leitfaden, der kurz nach der Markteinführung des Macintosh-Rechners erschien und sich an Programmierer wendet. Auf über 300 Seiten der wesentlich ergänzten neuen Auflage erfährt der Software-Entwickler in Form von prägnanten Leitlinien, wie er seine Programme gestalten soll, damit die Interaktion zwischen Menschen und Computer optimiert werden kann. Als Design Principles werden genannt:
Als weitere Kriterien werden genannt: User Control (direkte Kontrolle aller Abläufe durch den Benutzer), Feedback and Dialog (dauerhafte Mitteilung an den Benutzer über alles, was geschieht), Forgiveness (Befehle müssen rückgängig gemaht werden können), Perceived Stability (feste Bezugspunkte zur Orientierung des Benutzers) und Aesthetic Integrity (gutes visuelles Design).
Schon die Übersetzung der Leitbegriffe ins Deutsche fällt schwer oder genauer, sie ist mit kurzen prägnanten Worten nicht in einer Form möglich, dass jeder sofort versteht, was gemeint ist. Es handelt sich dabei eher um eine Art Philosophie, die der Gemeinde der Macintosh-Programmentwickler mit auf den Weg gegeben wurde.
Einen anderen Weg findet man in den technischen Normen, die von den jeweils zuständigen Verbänden als Auslegung rechtlicher Vorgaben konkretisiert werden; sie sollen eher Kriterien zur späteren Bewertung von Software darstellen. In der Vergangenheit wurden leider solche Normen vielfach als rein technikimmanente Konventionen angesehen. Doch insbesonders die Normenreihe DIN 66234 Bildschirmarbeitsplätze griff schnell Fragestellungen auf, die auch für die Arbeitsgestaltung von Bedeutung sind. Dort fanden sich die folgenden fünf Grundsätze ergonomischer Dialoggestaltung:
In weiteren Normierungs-Dokumenten ist die Rede von Übersichtlichkeit der Bildschirmdarstellung (Teil 5 der DIN-Norm 66234), Flexibilität, Erlernbarkeit (Lernförderlichkeit) und Individualisierbarkeit (EG-Richtlinie über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit mit Bildschirmgeräten).
Vokabeln wie Selbstbeschreibungsfähigkeit oder Erwartungskonformität signalisieren die noch geringe praktische Bedeutung der Normen. Zu hölzern ist die verwendete Begrifflichkeit, die ihre bürokratisch-akademische Herkunft verrät, und zu schwer fällt ihre Operationalisierung, d.h. ihre Umsetzung in konkret prüfbare Eigenschaften von Software-Systemen. Es handelt sich eher um Grundsatz-Normen, um eine Art Appell an die Systementwickler. Sie sind noch weit entfernt von prüf- und zertifizierbaren Qualitätsnormen und stellen lediglich Empfehlungen der Normierungsinstitutionen dar, die weder für die Hersteller noch die anwendenden Firmen verbindlich sind.
Die mangelnde Verbindlichkeit einerseits und die schwierige Konkretisierung der Ergonomie-Kriterien andererseits erschweren es, wenn man sich in betrieblichen Regelungen auf die neuen Vorschriften beziehen will. Die Begrifflichkeit beispielsweise der DIN-Norm Bildschirmarbeit, Teil Dialoggestaltung findet sich schon in wesentlich älteren Firmenregelungen und ist dort auch durch Beispiele erläutert. So zählt ein Papier der Firma Nixdorf - noch mit dem eingedruckten Vermerk versehen, dass Weitergabe und Vervielfältigung nicht gestattet seien und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen würden - die Kriterien Fehlerrobustheit, Effizienz/Effektivität, Erlernbarkeit, Interaktionsvielfalt und Flexibilität für den Benutzer, weitestgehende Hardwareunabhängigkeit und Integrationsfähigkeit auf. Zu den einzelnen Kriterien werden dann Beispielfragen präsentiert. Als solche Beispielfragen zur Erlernbarkeit werden angegeben:
Operationalisierungsversuche zu softwareergonomischen Regelungen liegen heute auch in Fragebogenform vor (aus ISO-Norm 9241 Teil 10):
Beispiel für die Fragebogendarstellung eines Kriteriums zur Software-Bewertung
Wie man sich anhand der folgenden Beispiel-Items aus demselben Fragebogen leicht verdeutlichen kann, bleibt der Versuch einer Beantwortung doch sehr an den individuellen Vorstellungen des einzelnen Benutzers haften:
Lassen wir es dahingestellt, ob diese Fragen überhaupt zu einer Bewertung der vorgegebenen Kriterien führen. Fragwürdig sind bereits die Antworten selber. Ob eine Software dann lernförderlich ist, wenn sie ganz ohne fremde Hilfe oder Handbuch verstanden werden kann, mag für ein einfaches Malprogramm ja zutreffen, sicher jedoch nicht für eine kompliziertere Software, die beispielsweise die ganz spezifisch organisierte Materialwirtschaft einer Firma unterstützen soll.
Wir wollen daher der Überlegung, was wir unter benutzerfreundlicher Software verstehen wollen oder verstehen können, im folgenden einen breiten Raum gewähren und uns in gebotener Vorsicht dem tückischen Thema nähern. Bevor wir uns um die Erarbeitung von Kriterien für benutzerfreundliche Software bemühen, schauen wir uns nochmals genauer die Nahtstelle im Arbeitssystem an, an der Menschen und Computer einander begegnen, die Benutzer-Schnittstelle oder besser: das Benutzer-Interface.
Das grafikfähige Benutzer-Interface ist eine wichtige Voraussetzung für produktive Computer-Anwendungen, die gleichzeitig benutzerfreundlich sind.
Die Forderung nach benutzerfreundlicher Software ist hochgradig konsensfähig, mit ihr rennt man sozusagen offene Türen ein. Doch damit sich nicht jeder - ganz besonders Arbeitgeber und Arbeitnehmer-Interessenvertretung - seinen je verschiedenen Reim darauf macht, ist es dringend geboten, etwas genauer zu sagen, was man denn unter benutzerfreundlicher Software versteht.
Eine gute Anwendungssoftware sollte sich auszeichnen durch
Wir wollen diese Gesichtspunkte im folgenden präzisieren und durch Beispiele verdeutlichen:
¢ Karl Schmitz, tse Hamburg, Januar 2001